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Normale Version: Änderungen §20 EStG - Einkünfte aus Kapitalvermögen ab 2020/2021
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Das Binding-Thema ist hoch emotional. Und ich bin mir oft auch nicht sicher, ob Binding-Fans in den Foren halt sich gut tarnen. Glaube ich bei Spekulatius nicht. Aber es empfiehlt sich daher klarer zu machen, auf welcher Seite man steht.

Du bist Binding-Gegner und führst hier Argumente pro Binding an, um den Kampf gegen Binding voranzutreiben, denn die Binding-Fans kommen mit sowas.

Ich erinnere an meine Binding-Mythen. Es gibt noch gefährlichere Scheinargumente, aber man muss alles widerlegen.

Dass das BVerfG die Rechtmäßigkeit Bindings mit der Kapitalvernichtung durch die Abgeltungsteuer erklären wird, glaube ich aber nicht, ist zu simpel. Wenn, dann sind die cleverer.
(09.03.2024, 12:49)minenfuchs schrieb: [ -> ]Das Binding-Thema ist hoch emotional. Und ich bin mir oft auch nicht sicher, ob Binding-Fans in den Foren halt sich gut tarnen. Glaube ich bei Spekulatius nicht. Aber es empfiehlt sich daher klarer zu machen, auf welcher Seite man steht.

Du bist Binding-Gegner und führst hier Argumente pro Binding an, um den Kampf gegen Binding voranzutreiben, denn die Binding-Fans kommen mit sowas.

Der Mann hat's verstanden. Tup
Bzgl. Art 12 und 14 GG ist die Sache unklarer als bei Art 3. Ich will diese Früchte aber nicht einfach liegen lassen. Es geht hier tatsächlich um Begrifflichkeiten, also fällt Trading überhaupt unter das Berufsverbot, ist der Eingriff weitgehend genug dafür. Und beim Vermögen, ist Binding wirklich "genügend" Kapitalvernichtung.

Ich meine ja und habe das in Epizentrums Fall auch verteidigt. Es braucht aber mehr Zeit als ich jetzt habe, um das hier seitenfüllend auszuformulieten. Aber kommt noch, keine Angst.
(09.03.2024, 13:52)minenfuchs schrieb: [ -> ]Bzgl. Art 12 und 14 GG ist die Sache unklarer als bei Art 3. Ich will diese Früchte aber nicht einfach liegen lassen. Es geht hier tatsächlich um Begrifflichkeiten, also fällt Trading überhaupt unter das Berufsverbot, ist der Eingriff weitgehend genug dafür. Und beim Vermögen, ist Binding wirklich "genügend" Kapitalvernichtung.

Ich meine ja und habe das in Epizentrums Fall auch verteidigt. Es braucht aber mehr Zeit als ich jetzt habe, um das hier seitenfüllend auszuformulieten. Aber kommt noch, keine Angst.

Mit Berufsverbot wird man nicht weit kommen. Ich kenne zwar die aktuelle Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 12 GG nicht, aber aus früheren Fällen, die teilweise viel krasser gelagert waren, wurden Verfassungsbeschwerden schon abgeschmettert. So lange es dem privaten Anleger, der gerne beurfsmäßiger Trader sein möchte, möglich ist, die Geschäfte über eine Kapitalgesellschaft zu erträglichen steuerlichen Bedingungen abzuwickeln, deren Einstiegshürden sehr niedrig angesetzt sind (Stammkapital nur 1 Euro bei der UG), kann ich mir schwer vorstellen, daß das BVerfG eine unzulässige Einschränkung der freien Berufswahl bejahen würde. Auch Binding hat sich m.W. in einem von ihm selbst erstellten Video darauf hinausgeredet, weil er wohl schon ahnte, daß solche Einwände kommen könnten.

Das Nettoprinzip läßt sich argumentativ nicht so leicht aushebeln. Ich hatte ja bereits beschrieben, daß die Abgeltungsteuer, wie sie derzeit bei Termingeschäften angewandt wird, vom Charakter her einer Verbrauch- oder Umsatzsteuer ähnlich ist. Nur hätte man sie dann auch als solche rechtlich ausgestalten müssen, was nicht der Fall ist. Denn tatsächlich ist sie ja eine Sonderform der Einkommensteuer, so daß auf sie auch die Regeln des Einkommensteuerrechts Anwendung finden und nicht etwa die von Verbrauch- oder Umsatz- oder anderen Steuern. Und damit findet auch das Nettoprinzip grundsätzlich Anwendung.

Doch wie gesagt: Juristen können vieles augenscheinlich schlüssig begründen. Und selbst unschlüssige Begründungen (wie z.B. im Klimaurteil) entfalten trotzdem Rechtskraft. Rechnen muß man deswegen mit allem.
Ich habe bzgl. des Berufsverbots ein uraltes Urteil des BVerfG gefunden, wo es soweit ich mich erinnere auch um irgendeine Steuer und deren Wirkung darauf ging. Aber ich muss das raussuchen.

Bzgl. der Politik will die Union ja nun nochmal über Taurus abstimmen und wird leider wieder scheitern, weil viele Ampelpolitiker an ihren Posten hängen. Ist ein Präzedenzfall für Binding. Auch darüber könnte die Union monatlich abstimmen lassen, würde aus den gleichen Gründen abgelehnt. Macht ist halt wichtiger als Recht.
Ich will nun ausführlicher auf die Argumentation eingehen, dass die Abgeltungsteuer die Verfassungswidrigkeit der Bindingsteuer retten könnte.

Die Bindingsteuer verstösst erstmal grds. gegen das Nettoprinzip, davon gehen wir aus. Verluste sind nur tlw. anrechenbar, durch Verechnungskreis und die 20K-Grenze. Im Rahmen der Abgeltungsteuer beim Inlands-Broker haben wir sogar überhaupt keinen Verlustabzug. Also ist die Verletzung des Nettoprinzips noch eklatanter, es wird erst mit der Veranlagung teilweise besser.

Durch die Wirkungsweise der Abgeltungsteuer auf Gewinne nebst unterbleibendem Verlustabzug wird, wenn ich als Trader nicht supergut bin, mein Kapital beim Broker dahinschwinden. Einerseits durch die erbarmungslose "Einnahmensteuer" und andererseits durch die Verluste. Aber ich werde durch die Veranlagung nicht noch in Schulden getrieben, meine Steuern habe ich schon gezahlt, bekomme sogar noch durch den Verlustabzug etwas zurück.

Was ist nun das Argument pro Binding? Dass ich immerhin nicht in eine Insolvenz wegen Überschuldung durch Steuerzahlungen laufe. Aber das ist irrelevant bzgl. Art 3 GG. Es bleibt ja trotzdem die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes. Ob der Trader nun pleite geht oder "nur sein Vermögen" verliert, spielt keine Rolle. Und Art 14 GG (Eigentumsrecht) bleibt auch verletzt. Am Ende hat der Steuerpflichtige sein eingesetztes Vermögen verloren.

Damit wird das BVerfG also nix anfangen können oder wollen und ich vermute, kein FA wird es so versuchen. Es wäre ja nur der Versuch, statt eklatantem Verfassungsbruch auf etwas weniger eklatanten Verfassungsbruch zu plädieren. Nützt ja nix.


Für den Trader beim Auslandsbroker verhält es sich ähnlich. Er sollte Rückstellungen bilden, um später die Bindingsteuer zahlen zu können. Der Trader, der keine Rückstellungen bildet, könnte tief in der Verschuldung landen. Aber wieder berührt das nicht den Verfassungsbruch. Es heilt den Verfassungsbruch nicht, dass der Trader weiß oder wissen konnte, dass es die Bindingsteuer gibt. Die Bindingstuer bleibt per se verfassungswidrig, selbst wenn alle Trader aufgehört hätten zu handeln oder alle bei 20K-Verlusten aufhören zu traden oder Rückstellungen bilden.

Auch damit wirds also kein FA ernsthaft versuchen. Das ist nur was für die Politik, wo ein Lothar Binding sagt, ihr habts doch gewusst, damit ist alles o.k. Ist nur ein Trick, eine Lüge, ein Ablenkungsmanöver. Vor Gericht kann er damit nix anfangen.


Kommen wir noch zur Möglichkeit, zur GmbH zu wechseln. Reicht das, um die Bindingsteuer verfassungsgemäß zu machen? Für Art. 3 GG wieder nicht. Der bleibt verletzt, auch wenn ich dem Verfassungsbruch per GmbH aus dem Weg gehen kann. Aber was ist mit Art 12 GG?

Der Gesetzgeber darf keine Rechtsform bevorzugen. Eine GmbH hat zudem diverse Nachteile in Form von Kosten, steuerlicher Belastung und der geringen Auswahl an Brokern, die GmbH’n als Kunden akzeptieren.

Dazu kann man auch den BVerfG-Beschluss vom 08. Dezember 2021 - 2 BvL 1/13 heranziehen. In Tn 68 steht: „Die Vorschriften bewirken eine nicht gerechtfertigte Begünstigung von Gewinneinkünften gegenüber den Überschusseinkünften.“ Etwas ähnliches läge dann hier auch vor.

Es gab 1961 ein Urteil zur Schankerlaubnissteuer (30.10.1961 - 1 BvR 833/59 (BVerfGE 13, 181).

http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv013181.html

Die Verfassungsbeschwerde wurde zwar zurückgewiesen, aber das Urteil enthält halt Punkte, woran man ein Berufsverbot messen könnte. Aus Tn 22 können wir entnehmen, dass durchaus auch eine Steuer eine berufsregelnde Tendenz haben kann. Und in Tn 25 steht:

Vielmehr ist eine Rückwirkung auf die freie Berufswahl nur dann rechtlich beachtlich, wenn eine
Steuer ihrer objektiven Gestaltung und Höhe nach es den von ihr betroffenen
Berufsbewerbern in aller Regel wirtschaftlich unmöglich macht, den gewählten Beruf zur Grundlage
ihrer Lebensführung zu machen.


Und genau das haben wir bei Binding. Der macht es tatsächlich wirtschaftlich unmöglich, den Beruf des Termingeschäfts-Traders zur Grundlage seiner Lebensführung zu machen. Verluste sind unvermeidlich, das gehört zur Geldanlage. Es ist nahezu unmöglich, konstant eine so hohe Gewinnmarge zu erzielen, um die immense Steuerbelastung durch den fehlenden Verlustabzug auszugleichen.
Das Gegenteil ist der Fall. Die Bindingsteuer würde zu noch höheren Risiken verleiten. Da ist es besser, den Beruf aufzugeben.
Noch kurz ein Nachtrag zu Art 12 GG. Es spielt keine Rolle, dass alle Trader eigentlich nur Verwalter ihres Privatvermögens sind. Es geht hier darum, dass sie eine Tätigkeit ausüben, die auf Dauer angelegt ist, der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient und nicht an sich verboten ist:

https://tu-dresden.de/gsw/phil/irget/jfi...df?lang=de

Insofern wird kein FA die Tätigkeit als Berufstrader anzweifeln. Man wird aber versuchen, die Bindingsteuer als nicht so "schlimm" dafür hinzustellen.
Aber was würde ich als Verfassungsrichter tun, wenn mir in einem kompletten SPD-Staat Lothar befehlen würde, die "richtige" Entscheidung zu treffen. Nichts "leichter" als das:

Art 3 GG ist nicht verletzt, da die Ungleichbehandlung der extrem riskanten TG gut begründet wurde und gerechtfertigt ist. Art 12 und 14 GG sind nicht verletzt, da ein guter Trader gar keine Probleme mit Verlusten hat. Ihn tangiert das nicht.

Das wäre natürlich Schund, aber in einem Unrechtsstaat geht alles.
(10.03.2024, 01:55)minenfuchs schrieb: [ -> ]Der Gesetzgeber darf keine Rechtsform bevorzugen. Eine GmbH hat zudem diverse Nachteile in Form von Kosten, steuerlicher Belastung und der geringen Auswahl an Brokern, die GmbH’n als Kunden akzeptieren.

Das ist ein veritables Argument. Anders formuliert: wer seine Geschäfte in einer anderen Rechtsform betreibt, also z.B. ein Termintrader-Club in Form einer GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts), darf steuerlich nicht in der Form schlechter gestellt werden, daß ihm das Geschäft in der GbR im Gegensatz zur GmbH faktisch unmöglich gemacht wird, was man bei Binding ohne Zweifel bejahen kann, da das Kapital durch die inadäquate Berücksichtigung der Verluste infolge der Abgeltung-/Einkommensteuer langfristig aufgefressen wird. Wenn die aktuelle Rechtsprechung tatsächlich so ist, dann wäre auch Art. 12 GG einschlägig. Hast Du das mal mit Juristen besprochen, die sich in diesem Bereich auskennen?

Ich hatte ja in meiner Advocatus-Diaboli-Argumentation darauf abgestellt, daß die Hürden für eine GmbH-Gründung auch für den Privatanleger derart niedrig angesetzt sind, daß man ihm diese zumuten kann und somit eine Einschränkung der Berufsfreiheit entfiele. Aber natürlich würde der private Terminhändler faktisch in die GmbH gezwungen werden. Ob das vor dem BVerfG als unzulässige Einschränkung der Berufsfreiheit angesehen würde, kann ich ehrlich gesagt nicht beurteilen.
Nein, ich habe keinen direkten Kontakt mit Juristen. Aber fast alle, die vor Gericht gehen, konzentrieren sich vermutlich auf Art 3. Dass in meiner verfassungsrechtl. Würdigung Art 12 und 14 drin sind, hängt mit Martins Situation als Berufstrader zusammen. Allerdings hat der selber eine GmbH, in der Klage traten vier andere für ihn auf.

Nehmen wir mal eine Analogie. Wäre ein GmbH-Zwang für Bauern verfassungsgemäß? Wohl kaum. Dann ist es beim Berufstrader auch schwer, das zu rechtfertigen.