(29.04.2020, 14:58)cubanpete schrieb: Für Gesamteuropa ist die über-Mortalität nicht höher als bei der letzten Grippe. Einzelne Länder sind aber viel höher. Darunter gibt es welche die keine oder erst sehr spät Massnahmen ergriffen und andere die sehr harte Massnahmen sehr früh ergriffen. Keine Korrelation festzustellen. Andere Länder haben sogar viel tiefere Todeszahlen als bei der letzten Grippe. Auch in dieser Gruppe sind Länder mit ganz unterschiedlichen Massnahmen.Du solltest nicht die Mortalität der bereits abgeschlossenen letzten Grippeepidemie mit dieser vermutlich noch nicht abgeschlossenen Coronaepidemie vergleichen. Das ist, übertrieben formuliert, als ob du 10 Sekunden nach Start einer Saturn V die gewonnene Höhe bestimmst und erklärst, da sei aber viel weniger Wumms hinter als hinter einem mit Gas gefüllten Luftballon, der in derselben Zeit dreimal so hoch gestiegen ist.
Genausowenig kann man nur aufgrund des Datums beurteilen, ob ein Staat früh oder spät die Massnahmen ergriffen hat. Denn ob etwas früh oder zu spät stattfand hängt ja ausschliesslich vom Start und Verlauf der Epidemie in den einzelnen Ländern und den individuellen Gegebenheiten statt ab. Italien oder Spanien mögen wesentlich früher dran gewesen sein mit Isaltionsmassnahmen, die breite Teile der Bevölkerung betrafen als z.B. Deutschland, aber die Hinweise sind doch recht stark, dass in diesen Ländern die Verbreitung des Virus zu dem Zeitpunkt auch schon deutlich größer war als in Deutschland. U.U. auch aufgrund der sehr großen Bemühungen, die Kontaktketten der allerersten Fälle hierzulande unter Quarantäne zu stellen.
Es wäre zwar wünschenswert, dass man alle Staaten einfach in einer Tabelle listen könnte und anhand des Starts von Massnahmen und des Verlaufs der Epidemie Korrelationen bestimmen könnte, aber so einfach ist die Welt dann wohl doch nicht. Ohne mich im Detail damit befasst zu haben, würde ich vermuten, dass man auch die Zeitpunkte berücksichtigen müsste, in denen die Todeszahlen bestimmte Werte überschritten (sofern denn damals überhaupt breit getestet wurde) und auch die medizinische Grundversorgung dürfte eine Rolle spielen. In anderem Zusammenhang hatte ich kürzlich eine Diskussion mit jemandem aus einer britischen Pharmafirma, der etwas als tolle Neuerung darstellte, das in der Schweiz oder Deutschland schon seit über 10 Jahren der Behandlungsstandard ist. Ich war ziemlich baff. Das zeigt aber, dass in Details, die durchaus wichtig sein können, die Uhren in einzelnen Ländern schon sehr unterschiedlich ticken.
Und um das noch zu verkomplizieren möchte ich auf die aktuelle Situation in Singapur hinweisen, die durch einen gut durchdachten Maßnahmenkatalog und vorbildliche Dokumentierung von Ausbruchsclustern alles im Griff zu haben schienen, dabei jedoch die Gastarbeiter, die dort wirklich am Rande der Gesellschaft stehen, eigentlich völlig ignoriert haben. Diese wurden nicht intensiv getestet, haben andere Lebensumstände als der Rest der Bevölkerung und die Epidemie ist dann dort komplett unter dem Radar ziemlich aus dem Ruder gelaufen. Sehr individuelle Umstände, haben hier erst nach recht langer Zeit zu einem fulminanten Verlauf der Epidemie geführt, den man nie nachvollziehen könnte, wenn man nur auf die Daten der ersten nachgewiesenen Infektionen dort, sowie Startpunkt und Umfang der Massnahmen schauen würde. Der Teufel steckt am Ende im Detail...