Faktenfinder
Schlagzeile zu Covid-19-Toten Aufregung um angeblich verzerrte Zahlen
Stand: 01.09.2021 11:54 Uhr
Ein Medienbericht über angeblich verzerrte Zahlen von Covid-19-Toten sorgt für Diskussionen. Ein zitierter Wissenschaftler distanziert sich allerdings von der Schlagzeile, das RKI verweist auf die Prüfung der Fälle durch die Ämter.
Von Patrick Gensing, Redaktion ARD-faktenfinder
Die Schlagzeile klingt dramatisch: "Verzerrte Zahlen: 'Corona bei 80 Prozent der offiziellen Covid-Toten wohl nicht Todesursache'" Das Zitat stammt der Zeitung "Die Welt" zufolge von dem Mediziner Bertram Häussler und basiere auf dessen Berechnungen.
Der eigentliche Artikel steht hinter einer sogenannten Bezahlschranke, dennoch verbreitet sich die Meldung in kurzer Zeit massenhaft. Laut "Crowdtangle", einem Dienst, der Reichweiten in sozialen Netzwerken analysiert, generierte der Beitrag bis zum Mittwochmorgen allein auf Facebook mehr als 60.000 Interaktionen. Demnach gab es dort mehr als 10.000 Kommentare, er wurde zudem von mehr als 18.000 Profilen oder Seiten geteilt.
Darunter ist der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki, der schreibt, sollten sich diese Zahlen bewahrheiten, sei dies "ein weiterer Schlag für die Glaubwürdigkeit" des RKI. Verschiedene AfD-Bundestagsabgeordnete teilten die Meldung ebenfalls und schrieben unter anderem von einer "Hammer-Nachricht". Seit Ausbruch der Pandemie seien schon so viele Zahlen so gedreht worden, um Panik zu machen. Auch auf Telegram wird die Meldung tausendfach geteilt und kommentiert. Auf den Social-Media-Kanälen der tagesschau sorgt der Bericht ebenfalls für große Diskussionen und viele Kontroversen.
Behauptung bezieht sich auf kurzen Zeitraum
Der Haken an der Sache: Die behaupteten 80 Prozent beziehen sich nicht auf den Zeitraum seit Ausbruch der Pandemie, die Berechnungen des zitierten Wissenschaftlers Häussler basieren vielmehr auf den Werten für die Monate Juli und August. In diesem Zeitraum war die Zahl der registrierten Todesopfer sehr niedrig im Vergleich zum vergangenen Winter und zum Frühjahr 2020. So wurden laut RKI-Angaben beispielsweise im Dezember 2020 fast 22.000 Todesfälle registriert, im Juli 2021 waren es demnach 233.
Wissenschaftler distanziert sich
Dass es also in dem Beitrag der "Welt" um einen kleinen Anteil der insgesamt mehr als 92.000 offiziell registrierten Covid-19-Toten in Deutschland geht, dürfte bei vielen Nutzerinnen und Nutzern, die die Meldung geteilt und kommentiert haben, nicht angekommen sein. Das liegt mutmaßlich vor allem daran, dass diese wichtige Einschränkung bei der "Welt" zunächst nur zu lesen war, wenn man die Bezahlschranke passiert und für den Beitrag bezahlt hat. Erst dann erscheint folgender Absatz:
"Die Welt" überarbeitete die Meldung am Dienstag und ersetzte die Zeile "Verzerrte Zahlen" durch "Seit Juli". Doch damit dürfte die Diskussion um den Beitrag nicht beendet sein. Denn der zitierte Wissenschaftler distanzierte sich von der Schlagzeile. Gegenüber dem Blog "Volksverpetzer" sagte Häussler auf Anfrage: "Die Überschrift über dem Artikel in dem von Ihnen zitierten Wortlaut wurde von der WELT verfasst und ohne unser Wissen veröffentlicht." Die Überschrift sei "in ihrer Allgemeinheit falsch und würde von uns niemals so vertreten werden".....
Die Annahme des Wissenschaftlers Häussler, rund 80 Prozent der Covid-19-Todesfälle seien wohl nicht an Corona gestorben, lässt sich nicht direkt nachvollziehen. Die Behauptung basiert auf der Annahme, alle Verstorbenen, die sich bereits mehr als fünf Wochen vor ihrem Tod infiziert hatten, könnten wohl nicht an Covid-19 gestorben sein. Doch gerade jüngere Covid-Patienten liegen länger auf Intensivstationen als Ältere - und können dennoch noch sterben.
Zentral ist bei der Diskussion allerdings, dass sich der Verdacht lediglich auf einen kurzen Zeitraum mit relativ wenigen Todesopfern bezieht - und nicht auf die gesamte Pandemie. Damit ist die scheinbare Brisanz, mit der diese Meldung oft kommentiert wird, gar nicht gegeben.....
https://www.tagesschau.de/faktenfinder/c...r-101.html
Schlagzeile zu Covid-19-Toten Aufregung um angeblich verzerrte Zahlen
Stand: 01.09.2021 11:54 Uhr
Ein Medienbericht über angeblich verzerrte Zahlen von Covid-19-Toten sorgt für Diskussionen. Ein zitierter Wissenschaftler distanziert sich allerdings von der Schlagzeile, das RKI verweist auf die Prüfung der Fälle durch die Ämter.
Von Patrick Gensing, Redaktion ARD-faktenfinder
Die Schlagzeile klingt dramatisch: "Verzerrte Zahlen: 'Corona bei 80 Prozent der offiziellen Covid-Toten wohl nicht Todesursache'" Das Zitat stammt der Zeitung "Die Welt" zufolge von dem Mediziner Bertram Häussler und basiere auf dessen Berechnungen.
Der eigentliche Artikel steht hinter einer sogenannten Bezahlschranke, dennoch verbreitet sich die Meldung in kurzer Zeit massenhaft. Laut "Crowdtangle", einem Dienst, der Reichweiten in sozialen Netzwerken analysiert, generierte der Beitrag bis zum Mittwochmorgen allein auf Facebook mehr als 60.000 Interaktionen. Demnach gab es dort mehr als 10.000 Kommentare, er wurde zudem von mehr als 18.000 Profilen oder Seiten geteilt.
Darunter ist der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki, der schreibt, sollten sich diese Zahlen bewahrheiten, sei dies "ein weiterer Schlag für die Glaubwürdigkeit" des RKI. Verschiedene AfD-Bundestagsabgeordnete teilten die Meldung ebenfalls und schrieben unter anderem von einer "Hammer-Nachricht". Seit Ausbruch der Pandemie seien schon so viele Zahlen so gedreht worden, um Panik zu machen. Auch auf Telegram wird die Meldung tausendfach geteilt und kommentiert. Auf den Social-Media-Kanälen der tagesschau sorgt der Bericht ebenfalls für große Diskussionen und viele Kontroversen.
Behauptung bezieht sich auf kurzen Zeitraum
Der Haken an der Sache: Die behaupteten 80 Prozent beziehen sich nicht auf den Zeitraum seit Ausbruch der Pandemie, die Berechnungen des zitierten Wissenschaftlers Häussler basieren vielmehr auf den Werten für die Monate Juli und August. In diesem Zeitraum war die Zahl der registrierten Todesopfer sehr niedrig im Vergleich zum vergangenen Winter und zum Frühjahr 2020. So wurden laut RKI-Angaben beispielsweise im Dezember 2020 fast 22.000 Todesfälle registriert, im Juli 2021 waren es demnach 233.
Wissenschaftler distanziert sich
Dass es also in dem Beitrag der "Welt" um einen kleinen Anteil der insgesamt mehr als 92.000 offiziell registrierten Covid-19-Toten in Deutschland geht, dürfte bei vielen Nutzerinnen und Nutzern, die die Meldung geteilt und kommentiert haben, nicht angekommen sein. Das liegt mutmaßlich vor allem daran, dass diese wichtige Einschränkung bei der "Welt" zunächst nur zu lesen war, wenn man die Bezahlschranke passiert und für den Beitrag bezahlt hat. Erst dann erscheint folgender Absatz:
Zitat:Wir haben ermittelt, dass bei gut 80 Prozent der offiziellen Covid-Toten, die seit Anfang Juli gemeldet wurden, die zugrundeliegende Infektion schon länger als fünf Wochen zurückliegt und man daher eher davon ausgehen muss, dass Corona nicht die wirkliche Todesursache war.
"Die Welt" überarbeitete die Meldung am Dienstag und ersetzte die Zeile "Verzerrte Zahlen" durch "Seit Juli". Doch damit dürfte die Diskussion um den Beitrag nicht beendet sein. Denn der zitierte Wissenschaftler distanzierte sich von der Schlagzeile. Gegenüber dem Blog "Volksverpetzer" sagte Häussler auf Anfrage: "Die Überschrift über dem Artikel in dem von Ihnen zitierten Wortlaut wurde von der WELT verfasst und ohne unser Wissen veröffentlicht." Die Überschrift sei "in ihrer Allgemeinheit falsch und würde von uns niemals so vertreten werden".....
Die Annahme des Wissenschaftlers Häussler, rund 80 Prozent der Covid-19-Todesfälle seien wohl nicht an Corona gestorben, lässt sich nicht direkt nachvollziehen. Die Behauptung basiert auf der Annahme, alle Verstorbenen, die sich bereits mehr als fünf Wochen vor ihrem Tod infiziert hatten, könnten wohl nicht an Covid-19 gestorben sein. Doch gerade jüngere Covid-Patienten liegen länger auf Intensivstationen als Ältere - und können dennoch noch sterben.
Zentral ist bei der Diskussion allerdings, dass sich der Verdacht lediglich auf einen kurzen Zeitraum mit relativ wenigen Todesopfern bezieht - und nicht auf die gesamte Pandemie. Damit ist die scheinbare Brisanz, mit der diese Meldung oft kommentiert wird, gar nicht gegeben.....
https://www.tagesschau.de/faktenfinder/c...r-101.html
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