(31.03.2020, 07:52)fahri schrieb: Habt Ihr vollkommen Recht -> im Eifer des Gefechts war eine 0 zu viel im Spiel,...Hi fahri,
@ Lancelot
Ich weiss nicht inwiefern das auch auf meine Aussage gemünzt war, möchte nur eine Sache an der Stelle nochmal
klar stellen, ich verharmlose Corona nicht, das ist aus meiner Sicht eine Art "2. Weltkrieg" - Ereignis unserer Generation
und das wird uns noch sehr lange beschäftigen. Das öffentliche Bild wird sich verändern, die ohnehin
schon tief in unserer Gesellschaft verwurzelten Ängste werden weiter befeuert usw.
Aber ich bin mir sicher, das auch der Punkt kommen muss, an dem wir uns über die wirtschaftlichen Folgen Gedanken
machen müssen. Wenn ich mir Leute wie Söder anschaue sieht das auf den ersten Blick beeindruckend aus, scheint er
ein Mann zu sein, der was von Krisenmanagement versteht. Aber mir ist die Sicht zu einseitig auf das Virus abgestellt.
Im Moment ist alles ok, fährt man jetzt am 20.04 alles wieder soweit hoch, wird sich der Schaden in Grenzen halten,
sollte ein weiterer Monat oder gar mehr hinzukommen, sieht das schon ganz anders aus. Mit Schaden meine ich
sowohl den wirtschaftlichen, als auch den gesundheitlichen ! Nie war der Begriff "relativ" besser angebracht
als an dieser Stelle. Es gibt keinen "guten" Weg, alle sind bescheiden, die vor uns liegen, man muss nur
aufpassen, das es keiner mit irreperablen Schäden wird.
Selbst Alexander Kekule äusserte sich gestern dazu - Quelle steht im Text:
Um mehr geht es mir nicht, ich glaube einem Großteil der deutschen Bevölkerung ist mittlerweile klar, das das eine
ernsthafte Situation ist und ist bereit sich dementsprechend zu verhalten. Wenn aber am Ende aller Maßnahmen steht,
das wir eine Arbeitslosigkeit von 20 % haben, werden mehr Menschen sich das Leben nehmen, ganz andere Probleme
in unserer Gesellschaft auf uns zukommen, als es das Virus jemals hätte schaffen können.
Ich bin mir sicher, das das aktuell immer mehr Politikern klar wird, aber keiner so recht sein Gesicht verlieren will, also
wird es auch noch einige Zeit dauern bis man das erkennt und sich das Land / die Welt wieder beginnt zu öffnen.
sorry für meinen aggressiven "rant".
Lass mich das doch bitte etwas relativieren und in den Kontext setzen.
1) mir stößt das allgemeine Muster auf. Es ist ähnlich wie bei der "Klimawandel" Geschichte. Und so war es auch mit dem Rauchen und in den USA sogar mit der Sicherheitsgurtpflicht in Autos.
Du findest immer ein paar Experten mit mehr oder weniger Glaubwürdigkeit, die dem allgemeinen wissenschaftlichen Konsens widersprechen. Schweden fährt nach wie vor einen eigenen Kurs in der aktuellen Pandemie, auch wenn der vorsitzende Wissenschaftler und sein Team dafür immer mehr in die Kritik geraten.
Ich habe (zum Beispiel über meine linkedIn Filter Bubble) den Eindruck, dass diese Stimmen künstlich verstärkt werden, weil es viele Menschen es gerne hören wollen. Und irgendwie ist es auch cool der "Contrarian" zu sein, wenn alle anderen in "Panik" verfallen.
Mir ist natürlich bewusst, dass es viele Betriebe und vor allem Klein- und Einzelunternehmen jetzt in einer existenzieller Krise stecken. Und auch DAX Firmen und große Mittelständler geraten unter Druck. Keine Frage.
Und natürlich hast du recht. So eine Pandemie spielt mit Urängsten, die die Menschen eben zu irrationalem Handeln verleitet.
Und das führt uns zu
2) eine vollkommen Inkonsistenz in der Argumentation. Zu Recht wird von den Kritikern der drastischen Maßnahmen auf die vielen Unsicherheiten hingewiesen. Transmission, R0, die echte Todesrate und der Grund für die manchmal drastischen Verläufe. Wird dran geforscht und es gibt für alles Indizien.... wissen tun wir aber eben noch nicht genug. Damit haben die Kritiker recht.
Im nächsten Satz verweisen die Kritiker dann auf die enormen ökonomischen Folgen und stellen die Frage ob die drastischen Maßnahmen gerechtfertigt sind. Und das wissen die woher, wie enorm die wirtschaftlichen Folgen sind?
Klar. Unser aller Bauchgefühl sagt: drastisch.
Aber: die Makro-Ökonomen der neoklassischen Schule sind zwar auch ein öffentlich Extrem präsentes Expertengremium (Hans Werner Sinn), aber anders als das Gremium der Virulogen/Epidmiologen oder Klimawissenschaftler stellen sie seit Jahrzehnten unter Beweis, dass ihre Modell 0!!!! predictive power haben!!!
Ich bin also in der Situation, in der die Modelle für die Ausbreitung und entstehenden Krankheitsverläufe mit viel Unsicherheit behaftet sind. Dadurch ergeben sich Szenarienanalysen mit recht großer Spannbreite an Verläufen. Aber die Modelle haben in der Vergangenheit (SARS, MERS etc.) gut funktioniert und das wirklich eingetretene Szenario war IMMER Teil der für "wahrscheinlich" gehaltenen Szenarien.
Es besteht zwar durchaus die Möglichkeit, dass eines der weniger drastischen Szenarien eintritt, aber die Folgen, wenn wir uns da irren, sind eben übel und zuverlässig prognostizierbar übel.
Dem stehen nun ein paar ökonomische Instutitionen gegenüber (Wirtschaftsweise etc), die aus mir nicht erklärlichen Gründen enorm zur Meinungsbildung beitragen, die jetzt Alarm schlagen.
Bei einer Lage mit so viel Ungewissheit, ist gutes Risikomanagement gefragt. Ich basiere meine Entscheidung auf den Informationen, Prognosen und Projektionen denen ich noch am Meisten traue (der Epidemiologie und Virulogie) . Und dort komme ich bei so viel Unsicherheit nicht drum rum, minimax als Entscheidungsstrategie zu verwenden (https://en.wikipedia.org/wiki/Minimax).
Was die Kritiker der drastischen Maßnahmen also argumentieren ist: ich soll auf mit Unsicherheit basierende Strategien verwerfen zu Gunsten von Strategien basierend auf noch mehr Unsicherheit.
3) Bei 1) und 2) bin ich mehr ziemlich sicher, dass es eine rationale Betrachtung ist. Der jetzige Punkt 3) ist eher emotional und ein Gefühl und wahrscheinlich mit einem politischen bias.
Ich bin der Meinung, dass in den USA aber insbesondere in Deutschland ökonomische Ängste enorm geschürt werden. Ob das "emergent" ist (so glaube ich) oder gar gesteuert wird (glaube ich nicht) weiß ich nicht. Ständig gibt es düstere Prognosen über Auftragsbücher, drohende Rezessionen...inzwischen gilt ja schon eine "Abkühlung des Wirtschaftsklimas" als dramatisch. Unternehmen jammern über die unerträglichen Zustände und drohen, teilweise recht offen, mit dem Verlust von Arbeitsplätzen. Ich fand den Reflex in den Medien interessant...nur wiel so ein ewig Student JuSo das Wort "Enteignung" in den Mund genommen hat.
Ich habe den Eindruck: wir spielen da viel mehr mit Ängsten. Verweisen auf die "unteren Schichten" und erklären Dinge zu "Luxusproblemen" für die Leute, denen es wirtschaftlich zu gut geht, als da man ihnen damit Angst machen könnte. Wenn es aber darum geht eben wirklich langfristig was für diese Schicht zu tun....herrscht Stille. Aber wie gesagt, daß ist eher mein persönliches Empfinden.
__________________
Forum-Besserwisser und Wissenschafts-Faschist