Beiträge: 8.058
Themen: 63
Registriert seit: Nov 2018
Status:
 offline
Bewertung:
4.192
[ Vote]
Mechanische Aktienstrategien | 21.06.2025, 08:30
Wie ihr ja hier und im Vorgänger Forum seit über einem Jahrzehnt beobachten könnt verwende ich ausschliesslich mechanische Strategien.
Bevor wir auf die Details eingehen wie solche Strategien konstruiert werden zunächst ein paar Worte über das "warum".
Warum brauche ich so strenge Regeln, traue ich mir selbst nicht? Antwort ist ja, und zwar aus gutem Grund. Niemand sollte sich selbst bei Investitions Entscheidungen trauen. Unser Höhlenmenschen Gehirn ist einfach nicht dafür ausgestattet. Was in unserem Hirn dafür gesorgt hat dass wir überlebt haben sorgt auch dafür dass wir andauernd Fehlentscheidungen treffen wenn es um das Investieren geht.
Schuld daran sind psychologische Täuschungen. Das sind Abkürzungen die unser Hirn braucht um manchmal in gefährlichen Situationen schnell das zu tun was überleben sichert. Psychologen haben über hundert solche Täuschungen identifiziert die sich negativ auf das Investieren auswirken(!). Das fiese daran: Du kannst diese Täuschungen bis ins Detail kennen und fällst trotzdem immer wieder drauf rein. Ansonsten wären wohl die Psychologen die reichsten Menschen auf der Welt... OK, sie sind reich, aber nur weil es genügend Leute gibt denen sie saftige Stundenlöhne verrechnen können.
Ich gehe sogar so weit zu sagen dass eine einfache mechanische Strategie bereits einen Vorteil gegenüber Index Investing oder proprietären Trading bringt. Sie schaltet das Verhaltensrisiko aus, und das ist ein Risiko das nicht entschädigt wird und das sehr grosse Verluste oder entgangene Gewinne beinhaltet.
Erfolgreich investieren ist doch eigentlich ganz einfach: man kauft billiger als man verkauft. Das bedeutet aber dass man sehr oft gegen die Masse handeln muss. Das ist schwierig und tut weh, unser ganzer Körper sträubt sich dagegen. Um so wichtiger ist es exakte Regeln zu haben die zu unmissverständlichen Handels Anweisungen führen.
Beim proprietären Handel ist klar wo die Probleme liegen: bei uns selbst. Aber auch das Investieren in Index via ETF birgt ähnliche Probleme. Zunächst auch wieder bei uns selbst. Peter Lynch, der legendäre Fonds Manager, hat einmal gesagt dass seine Kunden im Durchschnitt Geld verloren haben; sie haben seinen Fonds immer dann gekauft wenn er am teuersten war und dann verkauft wenn er am billigsten war. Es war äusserst schwierig mit diesem Fonds Geld zu verlieren, aber die Verhaltensfehler der Kunden haben sogar das fertig gebracht.
Dazu kommt dass viele Index nicht mechanisch konstruiert sind. Der Nasdaq100 z.B. ist mechanisch konstruiert, der SP500 leider nicht. Das hat zu Verhaltensrisiko geführt das teuer war und nicht entschädigt wurde. Sogar das Gremium das bestimmt was im Index aufgenommen oder aus dem Index entfernt ist will anonym bleiben. Aus gutem Grund, die Fehlentscheidungen die dort getroffen wurden haben die Anleger bereits eine ganze Stange Geld gekostet. Sie haben Regeln publiziert, z.B. dass eine Firma 12 Monate Gewinn erwirtschaftet haben muss. 1994, als es viel Geld gebracht hätte, wurden gerade mal 4 Tech Titel aufgenommen. Im Jahr 2000 hingegen waren fast die Hälfte der aufgenommenen Titel, 24 von 58, Technologiewerte auf ihrem Höchststand. Viele davon haben nie auch nur einen Cent verdient, wären also eigentlich gegen die SP500 Regeln gewesen. Was nachher passierte wissen wir alle...
Ich bin nicht grundsätzlich gegen Index investing, ganz im Gegenteil. Aber man sollte einen mechanisch konstruierten Index benutzen. Wenn ein Gremium involviert ist so hat es die gleichen psychologischen Probleme wie wir alle. Wenn es strenge Regeln gibt dann braucht es kein Gremium. Ausserdem ist ein Gremium das seine eigenen Regeln verletzt etwa das selbe wie wenn ich mich nicht an meine mechanischen Regeln halten würde; ich verliere die Edge die mir das Vermeiden von Verhaltensrisiko bringt.
Beiträge: 2.394
Themen: 13
Registriert seit: Nov 2018
Status:
 offline
Bewertung:
1.287
[ Vote]
RE: Mechanische Aktienstrategien | 21.06.2025, 11:54
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 21.06.2025, 11:55 von Lancelot.)
Ich habe eine mechanische Strategie aus einem PORTFOLIO von Indizes. Die Selektion, Gewichtung und Rebalancing sind mechanisch.
Das Problem: nicht mechanisch ist, wann ich neues Cash investiere. Das ist noch sehr unsystematisch. Hat toll geklappt bisher (Glück oder Optionalität). Eigentlich unnötig und müsste ich mal angehen: nochmals meinen (komfortablen) Notgroschen definieren, in diesem "Notgroschen auch ein bisschen Spielgeld berücksichtigen (Crypto, Einzelaktien) und das Konzept "Investitionsreserve" ein bisschen genauer spezifizieren.
Ich denke dass ich die Investitionsreserve als eine Art Option bewerten werde ( so ein bisschen ist es das ja...wenn S unter K fällt, ziehe ich die "Option").
Eigentlich fällt es mir leicht meiner Strategie zu folgen. Die Einzelinvestitionen und Zockerei erzeugen keinen thrill bei mir.
__________________
Forum-Besserwisser und Wissenschafts-Faschist
Beiträge: 7
Themen: 0
Registriert seit: Jun 2025
Status:
 offline
Bewertung:
0
[ Vote]
RE: Mechanische Aktienstrategien | 21.06.2025, 12:16
(21.06.2025, 08:30)cubanpete schrieb: Wie ihr ja hier und im Vorgänger Forum seit über einem Jahrzehnt beobachten könnt verwende ich ausschliesslich mechanische Strategien.
Bevor wir auf die Details eingehen wie solche Strategien konstruiert werden zunächst ein paar Worte über das "warum".
Warum brauche ich so strenge Regeln, traue ich mir selbst nicht? Antwort ist ja, und zwar aus gutem Grund. Niemand sollte sich selbst bei Investitions Entscheidungen trauen. Unser Höhlenmenschen Gehirn ist einfach nicht dafür ausgestattet. Was in unserem Hirn dafür gesorgt hat dass wir überlebt haben sorgt auch dafür dass wir andauernd Fehlentscheidungen treffen wenn es um das Investieren geht.
Schuld daran sind psychologische Täuschungen. Das sind Abkürzungen die unser Hirn braucht um manchmal in gefährlichen Situationen schnell das zu tun was überleben sichert. Psychologen haben über hundert solche Täuschungen identifiziert die sich negativ auf das Investieren auswirken(!). Das fiese daran: Du kannst diese Täuschungen bis ins Detail kennen und fällst trotzdem immer wieder drauf rein. Ansonsten wären wohl die Psychologen die reichsten Menschen auf der Welt... OK, sie sind reich, aber nur weil es genügend Leute gibt denen sie saftige Stundenlöhne verrechnen können.
Ich gehe sogar so weit zu sagen dass eine einfache mechanische Strategie bereits einen Vorteil gegenüber Index Investing oder proprietären Trading bringt. Sie schaltet das Verhaltensrisiko aus, und das ist ein Risiko das nicht entschädigt wird und das sehr grosse Verluste oder entgangene Gewinne beinhaltet.
Erfolgreich investieren ist doch eigentlich ganz einfach: man kauft billiger als man verkauft. Das bedeutet aber dass man sehr oft gegen die Masse handeln muss. Das ist schwierig und tut weh, unser ganzer Körper sträubt sich dagegen. Um so wichtiger ist es exakte Regeln zu haben die zu unmissverständlichen Handels Anweisungen führen.
Beim proprietären Handel ist klar wo die Probleme liegen: bei uns selbst. Aber auch das Investieren in Index via ETF birgt ähnliche Probleme. Zunächst auch wieder bei uns selbst. Peter Lynch, der legendäre Fonds Manager, hat einmal gesagt dass seine Kunden im Durchschnitt Geld verloren haben; sie haben seinen Fonds immer dann gekauft wenn er am teuersten war und dann verkauft wenn er am billigsten war. Es war äusserst schwierig mit diesem Fonds Geld zu verlieren, aber die Verhaltensfehler der Kunden haben sogar das fertig gebracht.
Dazu kommt dass viele Index nicht mechanisch konstruiert sind. Der Nasdaq100 z.B. ist mechanisch konstruiert, der SP500 leider nicht. Das hat zu Verhaltensrisiko geführt das teuer war und nicht entschädigt wurde. Sogar das Gremium das bestimmt was im Index aufgenommen oder aus dem Index entfernt ist will anonym bleiben. Aus gutem Grund, die Fehlentscheidungen die dort getroffen wurden haben die Anleger bereits eine ganze Stange Geld gekostet. Sie haben Regeln publiziert, z.B. dass eine Firma 12 Monate Gewinn erwirtschaftet haben muss. 1994, als es viel Geld gebracht hätte, wurden gerade mal 4 Tech Titel aufgenommen. Im Jahr 2000 hingegen waren fast die Hälfte der aufgenommenen Titel, 24 von 58, Technologiewerte auf ihrem Höchststand. Viele davon haben nie auch nur einen Cent verdient, wären also eigentlich gegen die SP500 Regeln gewesen. Was nachher passierte wissen wir alle...
Ich bin nicht grundsätzlich gegen Index investing, ganz im Gegenteil. Aber man sollte einen mechanisch konstruierten Index benutzen. Wenn ein Gremium involviert ist so hat es die gleichen psychologischen Probleme wie wir alle. Wenn es strenge Regeln gibt dann braucht es kein Gremium. Ausserdem ist ein Gremium das seine eigenen Regeln verletzt etwa das selbe wie wenn ich mich nicht an meine mechanischen Regeln halten würde; ich verliere die Edge die mir das Vermeiden von Verhaltensrisiko bringt.
Als Beispiel für einen mechanisch konstruierten Index nennst du den Nasdaq 100. Ich konnte bisher so recht keine weiteren finden. Kannst du bitte weitere nennen, wenn es dir möglich ist?
Beiträge: 8.058
Themen: 63
Registriert seit: Nov 2018
Status:
 offline
Bewertung:
4.192
[ Vote]
RE: Mechanische Aktienstrategien | 21.06.2025, 12:30
(21.06.2025, 12:16)Bram schrieb: Als Beispiel für einen mechanisch konstruierten Index nennst du den Nasdaq 100. Ich konnte bisher so recht keine weiteren finden. Kannst du bitte weitere nennen, wenn es dir möglich ist?
Ich investiere selbst nicht in Index ETF, aber einem Kollegen habe ich kürzlich den SCHD, ein ETF auf den U.S. Dividend 100 Index, empfohlen. Der ist komplett mechanisch. Ich denke man muss einfach den Index in den man investieren will genau untersuchen. Die AI (z.B. die von google) hilft ungemein dabei. Der SCHD ist ein U.S. Index und deshalb wohl für EU Bürger als Private nicht handelbar...
__________________
Der einzige gute Tipp von Deinem Broker ist ein margin call.
Beiträge: 8.058
Themen: 63
Registriert seit: Nov 2018
Status:
 offline
Bewertung:
4.192
[ Vote]
RE: Mechanische Aktienstrategien | 21.06.2025, 12:34
(21.06.2025, 11:54)Lancelot schrieb: Ich habe eine mechanische Strategie aus einem PORTFOLIO von Indizes. Die Selektion, Gewichtung und Rebalancing sind mechanisch.
Das Problem: nicht mechanisch ist, wann ich neues Cash investiere. Das ist noch sehr unsystematisch. Hat toll geklappt bisher (Glück oder Optionalität). Eigentlich unnötig und müsste ich mal angehen: nochmals meinen (komfortablen) Notgroschen definieren, in diesem "Notgroschen auch ein bisschen Spielgeld berücksichtigen (Crypto, Einzelaktien) und das Konzept "Investitionsreserve" ein bisschen genauer spezifizieren.
Ich denke dass ich die Investitionsreserve als eine Art Option bewerten werde ( so ein bisschen ist es das ja...wenn S unter K fällt, ziehe ich die "Option").
Eigentlich fällt es mir leicht meiner Strategie zu folgen. Die Einzelinvestitionen und Zockerei erzeugen keinen thrill bei mir.
Interessant.
Was Dir fehlt war das Erste was ich (notgedrungen) mechanisiert habe: das Geld- und Positionsmanagement. Aber bei mir ist es umgekehrt, ich entnehme nur.
Du hast Dich ja schon ein paar Mal entschieden und es hat geklappt. Versuche nun einfach das nachzuvollziehen und in Regeln zu fassen die Sinn ergeben. Bei mir ist es relativ einfach. Ich entnehme von der Strategie die mehr wert ist bis sie gleich viel wert sind, dann hälftig. Dieses Jahr durfte ich zum ersten Mal von meiner Momentum Strategie Geld entnehmen...
__________________
Der einzige gute Tipp von Deinem Broker ist ein margin call.
Beiträge: 7.138
Themen: 9
Registriert seit: Nov 2018
Status:
 offline
Bewertung:
1.270
[ Vote]
RE: Mechanische Aktienstrategien | 21.06.2025, 13:59
(21.06.2025, 12:30)cubanpete schrieb: Ich investiere selbst nicht in Index ETF, aber einem Kollegen habe ich kürzlich den SCHD, ein ETF auf den U.S. Dividend 100 Index, empfohlen. Der ist komplett mechanisch. Ich denke man muss einfach den Index in den man investieren will genau untersuchen. Die AI (z.B. die von google) hilft ungemein dabei. Der SCHD ist ein U.S. Index und deshalb wohl für EU Bürger als Private nicht handelbar... 
….dann über Optionen.😉👍
__________________
_________________________________________________________________________________________________
Corrections are usually over very quickly, and they're traditionally painless to long-term investors.
Experience is what you get, if you expect anything else!
Alles ist Zahl - die Vollkommenen --> 6; 28; 496; 8128; 33550336; 8589869056
Beiträge: 3.903
Themen: 23
Registriert seit: Aug 2020
Status:
 offline
Bewertung:
1.287
[ Vote]
RE: Mechanische Aktienstrategien | 21.06.2025, 14:34
Bringt es eigentlich was, einen Index per Sparplan zu besparen und mechanisch nach bestimmten Rücksetzern Extra-Raten einzuzahlen, und zwar, je größer der Rücksetzer, um so mehr Raten, also - mal phantasiert - nach jedem Rücksetzer von 10 Prozent 4 Extra-Raten, bei 20 Prozent 8 Extra-Raten usw., und zum Ausgleich, weil man ja nicht endlos Geld hat, nach entsprechenden Anstiegen weniger, um das Geld für die Extra-Raten wieder reinzuholen, und sobald es drin ist, wieder normal weiter? Hat so was jemand schon mal gemacht oder ausgerechnet, ob das was bringt?
Beiträge: 9.315
Themen: 135
Registriert seit: Nov 2018
Status:
 offline
Bewertung:
3.001
[ Vote]
RE: Mechanische Aktienstrategien | 21.06.2025, 14:59
(21.06.2025, 14:34)Speculatius schrieb: Hat so was jemand schon mal gemacht oder ausgerechnet, ob das was bringt?
Zumindest so ähnlich hatte ich es mal durchgerechnet mit dem S&P500
Variante 1: Immer monatlich Geld anlegen
Variante 2: Geld ansparen bis der Vola Index eine bestimmte Schwelle überschreitet und dann die gesamte Summe anlegen. Ich hatte verschiedene Schwellenwerte ausporbiert.
Bei beiden Varianten (auch bei verschiedenen Schwellenwerten) kam erstaunlicherweise ziemlich das Gleiche heraus. Das waren aber nur Daten von 2005-2018. Gut möglich das es in anderen Zeiträumen besser funktioniert, oder schlechter.
__________________
Reiner Satire Account ohne rechtliche Verwertbarkeit
Viel ist schon gewonnen wenn nur einer aufsteht und Nein sagt - Berthold Brecht
Viele Menschen würden eher sterben als denken. Und in der Tat: Sie tun es - Bertrand Russell
Beiträge: 8.058
Themen: 63
Registriert seit: Nov 2018
Status:
 offline
Bewertung:
4.192
[ Vote]
RE: Mechanische Aktienstrategien | 21.06.2025, 15:13
(21.06.2025, 14:34)Speculatius schrieb: Bringt es eigentlich was, einen Index per Sparplan zu besparen und mechanisch nach bestimmten Rücksetzern Extra-Raten einzuzahlen, und zwar, je größer der Rücksetzer, um so mehr Raten, also - mal phantasiert - nach jedem Rücksetzer von 10 Prozent 4 Extra-Raten, bei 20 Prozent 8 Extra-Raten usw., und zum Ausgleich, weil man ja nicht endlos Geld hat, nach entsprechenden Anstiegen weniger, um das Geld für die Extra-Raten wieder reinzuholen, und sobald es drin ist, wieder normal weiter? Hat so was jemand schon mal gemacht oder ausgerechnet, ob das was bringt?
Aus Gesichtspunkt des Themas dieses Thread bringt es etwas zum voraus genau zu definieren wie man das machen wird. Und dann genau das durchziehen, auch wenn es manchmal Verluste bringt.
Persönlich will ich immer voll investiert sein, aber wie gesagt, ich entnehme nur und zahle nichts mehr ein. Bei Rücksetzern benutze ich nach genauen Definitionen einen Lombardkredit um zuzukaufen. Das ist brandgefährlich und umso wichtiger ist es klare und unmissverständliche Regeln dafür zu haben.
Das Geld- und Positionsmanagement ist eines der wichtigsten und deshalb auch eines der ersten Aspekte die automatisiert/mechanisiert werden sollten. Wenn man erst mal eine Position eingegangen ist so wird das Verhaltensrisiko noch grösser. Das Geld und Positionsmanagement sagt wie viel einer Position man kauft, was man mit zusätzlichem Geld, z.B. Dividenden, macht, wann man zu kauft, wann man Teilverkäufe von wie viel macht und wann man die Position komplett schliesst. Es sagt nicht was man für Positionen eingehen soll (Stockpicking).
__________________
Der einzige gute Tipp von Deinem Broker ist ein margin call.
Beiträge: 8.058
Themen: 63
Registriert seit: Nov 2018
Status:
 offline
Bewertung:
4.192
[ Vote]
RE: Mechanische Aktienstrategien | 22.06.2025, 10:37
Bevor wir uns die Details ansehen sollten wir einen Schritt zurück treten und uns das ganze überlegen: was wollen wir mit unseren Investments erreichen? Natürlich will jeder so viel wie möglich verdienen mit so wenig Risiko wie möglich. Aber Performance und tiefes Risiko schliessen sich leider oft aus. Risiko wirkt sich einerseits auf die Volatilität aus, andererseits auch auf verpasste Gewinne.
Es gibt Risiken die keine zusätzliche Performance bringen, z.B. das Verhaltensrisiko. Dieses versuchen wir ja eben mit mechanischen Strategien auszuschalten. Es gibt Risiken die man ausschalten kann, z.B. das Einzelrisiko in Firmen oder Sektoren. Das Zauberwort dort heisst Diversifikation. Es gibt aber auch Risiken die man nicht ausschalten kann, wie das Marktrisiko. Wir sollten entscheiden wie viel Risiko wir stemmen können.
Ich habe 2014 mit einer Strategie begonnen bei der ich tiefe Volatilität, hohen Cash Flow und eine Rendite um 10% pro Jahr angestrebt habe. 2020 dann habe ich zusätzlich eine Strategie begonnen mit hohem Risiko und einer angestrebten Rendite von 20% pro Jahr. Beide Strategien laufen heute gut, die riskante Momentum Strategie hat die Performance Ziele sogar deutlich übertroffen... aber das Risiko ist brutal. Ich glaube ich habe dort temporär schon mal 60% oder so verloren bei Covid... das Jahr dann aber wieder mit einem Gewinn abgeschlossen. Das hat sehr weh getan, kann wohl nicht jeder stemmen.
Ich würde eine mechanische Strategie aufteilen in Geld- und Positionsmanagement und Stock Picking. Das Geld- und Positionsmanagement sollte man immer mechanisch handhaben, es macht keinen Sinn dort pro Fall zu entscheiden.
Die erste Frage die es zu beantworten gibt: will ich die Anzahl Positionen beschränken oder nicht. Es gibt verschiedene Theorien. Volatilität wird ab einer Anzahl von 20-25 Titeln nicht mehr kleiner wenn man mehr Titel zufügt. Es gibt aber Theorien wonach die gesamten Gewinne am Aktienmarkt von sehr wenigen Firmen kamen und wenn man nur so wenig Titel hält so läuft man Gefahr diese zu verpassen. Ich persönlich bin eher für die 20-25 Titel weil sonst die Positionsgrössen zu klein werden.
Die nächste Frage: werde ich immer genügend Aktien finden um 100% investiert zu sein oder nicht? Diese Frage wird eigentlich erst beim Stockpicking beantwortet, ist aber für das Geld- und Positionsmanagement wichtig. Bei meiner Dividenden Strategie finde ich immer genügend Aktien. Bei meiner Momentum Strategie hingegen nicht, oft vergehen 3 Monate ohne dass ich eine einzige Investition finde.
Wenn man immer genügend Aktien findet so sollte man die "Pull" Methode wählen. Also jedesmal wenn so viel Geld für eine neue Position vorhanden ist eine neue Firma "reinziehen". Wenn man eher wenig Aktien findet so ist eine Push Strategie wohl geschickter: wann immer man eine neue Firma rein nehmen will, aber das Geld dafür nicht hat, wird eine Firma verkauft.
Schauen wir uns als Beispiel meine Dividenden Strategie an. Ich möchte eine Initial Grösse von 25 Firmen und nicht mehr als 20% des gleichen Sektors, also mindestens 5 Sektoren. Wer grössere Geldmengen verwalten muss wird vielleicht die Grösse nach dem Marktkapital ausrichten, ich mache das nicht. Es sind meist gross kapitalisierte Werte und ich kaufe einfach 4% des Portfoliowertes von jeder Firma die meine Kriterien (stock picking) erfüllen.
Die nächste Frage: was mache ich mit neuem Geld? Das können Dividenden sein oder angespartes zusätzlich zu investierendes Kapital. Ich kaufe jeweils round robin alle Positionen nach die unter 4% des Portfolios wert sind und die immer noch alle Kriterien erfüllen. Sind keine mehr vorhanden so füge ich eine neue Firma hinzu.
Teilverkäufe: wenn eine Firma auf 6% des Portfoliowertes steigt so verkaufe ich runter auf 5%. Ich nenne das die Marktdividende. Marktdividende und die Methode zum Nachkaufen sollen zyklische Schwankungen ausnutzen und das funktioniert recht gut.
Totalverkäufe: wenn eine Firma 5 Quartale meine Voraussetzungen nicht mehr erfüllt so kommt sie auf "sell". Sie wird aber erst verkauft wenn sie in der schlechteren Hälfte des Momentums ist. Der Grund dafür ist der Markt. Der kann sehr lange irrational sein. Eine Firma die teuer geworden ist kann noch viel teurer werden, also nehmen wir das dankend auch noch mit.
Ich kann mich nur wiederholen: auch wenn Ihr das Stock Picking nicht automatisieren wollt, das Geld- und Positionsmanagement sollte man auf jeden Fall automatisieren!
__________________
Der einzige gute Tipp von Deinem Broker ist ein margin call.
|