Ein Pilot über den Boeing-Absturz und seinen Alltag "wir haben gegen den Computer verloren"
aus "NZZ am Sonntag" ,
https://nzzas.nzz.ch/hintergrund/flugzeu...duced=true
die Antworten kommen von einem Swiss A320 Kapitän, Linienpilot seit 20 Jahren
Kann eine Software den Piloten daran hindern, das Richtige zu tun? Nach dem erneuten Absturz einer Boeing stellt sich die Frage, wer im Cockpit die Kontrolle hat. Ein Linienpilot erzählt aus seinem Alltag.
NZZ am Sonntag: Herr Steffen, am letzten Sonntag kamen beim Absturz einer Boeing 737 Max 8 von Ethiopian Airlines alle 157 Insassen ums Leben. Wie geht man als Linienpilot damit um? Denken Sie bei der Arbeit daran?
Thomas Steffen: Jeder Absturz von Kollegen beschäftigt einen. Als Pilot überlegt man sich, was schiefgelaufen sein könnte und ob man bei der eigenen Arbeit etwas besser machen könnte. Ich lese alle Informationen und versuche mir ein Bild zu machen.
Im Oktober 2018 ist eine gleiche Maschine von Lion Air in Indonesien verunglückt. Es handelt sich um ein modernes Flugzeug. Unter Verdacht steht nun die neuartige Software MCAS.
Beim Unglück der Lion Air geht man im Moment davon aus, dass es an dieser Software lag. Beim Absturz von letzter Woche weiss man es noch nicht, und ich möchte nicht spekulieren. Boeing hat ein Software-Update angekündigt. Aufgrund der Ungewissheit müssen jetzt sämtliche Maschinen am Boden bleiben. Jedes neue Flugzeug hat Kinderkrankheiten, aber dass eine ganze Flotte gegroundet wird, ist selten. Ich halte den Schritt für richtig. Es geht um die Sicherheit der Passagiere und der Besatzung.
Eine Software lässt ein Flugzeug abstürzen?
In modernen Passagierjets baut man sehr viele Computer ein. Sie sind zum Schutz gedacht und sollen sicherstellen, dass man die Maschine im normalen Betrieb gar nicht zum Absturz bringen kann. Erst wenn der Pilot, das Wetter oder sonst ein Faktor den Flieger an seine Grenzen oder darüber hinausbringen, sollten Systeme wie MCAS eingreifen.
Bei Lion Air waren die Folgen fatal.
Eine sehr wichtige Rolle spielen die Sensoren, die dem Computer alle Informationen liefern. Sie messen etwa die Geschwindigkeit oder den Anstellwinkel der Tragflächen. Von jedem dieser Sensoren haben wir mindestens zwei, damit keine Fehler passieren, falls einer defekt ist. Dennoch kann es vorkommen, dass ein Sensor falsche Daten übermitteln. Dann fangen die Probleme an. Ein Airbus A330 der Air France ist 2009 über dem Atlantik abgestürzt, weil das System und die Piloten von einer falschen Geschwindigkeit ausgingen. In einer Wolke waren die Sensoren vereist. Rechnet das Flugzeug fälschlicherweise mit einer Gefahr, kann es sein, dass die Schutzsysteme eingreifen - und den Piloten daran hindern, das Richtige zu tun.
aus "NZZ am Sonntag" ,
https://nzzas.nzz.ch/hintergrund/flugzeu...duced=true
die Antworten kommen von einem Swiss A320 Kapitän, Linienpilot seit 20 Jahren
Kann eine Software den Piloten daran hindern, das Richtige zu tun? Nach dem erneuten Absturz einer Boeing stellt sich die Frage, wer im Cockpit die Kontrolle hat. Ein Linienpilot erzählt aus seinem Alltag.
NZZ am Sonntag: Herr Steffen, am letzten Sonntag kamen beim Absturz einer Boeing 737 Max 8 von Ethiopian Airlines alle 157 Insassen ums Leben. Wie geht man als Linienpilot damit um? Denken Sie bei der Arbeit daran?
Thomas Steffen: Jeder Absturz von Kollegen beschäftigt einen. Als Pilot überlegt man sich, was schiefgelaufen sein könnte und ob man bei der eigenen Arbeit etwas besser machen könnte. Ich lese alle Informationen und versuche mir ein Bild zu machen.
Im Oktober 2018 ist eine gleiche Maschine von Lion Air in Indonesien verunglückt. Es handelt sich um ein modernes Flugzeug. Unter Verdacht steht nun die neuartige Software MCAS.
Beim Unglück der Lion Air geht man im Moment davon aus, dass es an dieser Software lag. Beim Absturz von letzter Woche weiss man es noch nicht, und ich möchte nicht spekulieren. Boeing hat ein Software-Update angekündigt. Aufgrund der Ungewissheit müssen jetzt sämtliche Maschinen am Boden bleiben. Jedes neue Flugzeug hat Kinderkrankheiten, aber dass eine ganze Flotte gegroundet wird, ist selten. Ich halte den Schritt für richtig. Es geht um die Sicherheit der Passagiere und der Besatzung.
Eine Software lässt ein Flugzeug abstürzen?
In modernen Passagierjets baut man sehr viele Computer ein. Sie sind zum Schutz gedacht und sollen sicherstellen, dass man die Maschine im normalen Betrieb gar nicht zum Absturz bringen kann. Erst wenn der Pilot, das Wetter oder sonst ein Faktor den Flieger an seine Grenzen oder darüber hinausbringen, sollten Systeme wie MCAS eingreifen.
Bei Lion Air waren die Folgen fatal.
Eine sehr wichtige Rolle spielen die Sensoren, die dem Computer alle Informationen liefern. Sie messen etwa die Geschwindigkeit oder den Anstellwinkel der Tragflächen. Von jedem dieser Sensoren haben wir mindestens zwei, damit keine Fehler passieren, falls einer defekt ist. Dennoch kann es vorkommen, dass ein Sensor falsche Daten übermitteln. Dann fangen die Probleme an. Ein Airbus A330 der Air France ist 2009 über dem Atlantik abgestürzt, weil das System und die Piloten von einer falschen Geschwindigkeit ausgingen. In einer Wolke waren die Sensoren vereist. Rechnet das Flugzeug fälschlicherweise mit einer Gefahr, kann es sein, dass die Schutzsysteme eingreifen - und den Piloten daran hindern, das Richtige zu tun.