(30.11.2019, 13:58)cubanpete schrieb: Genau, ich verstehe nicht ganz was der Anstieg des Buchwertes bringt. Vielleicht kannst Du mir das erklären. Es gibt in meinen Augen (zu) viele mögliche Gründe für den Anstieg des Buchwertes. Vielleicht macht es aber zusammen mit Deinen anderen Kriterien Sinn. Vielleicht filterst Du aber auch gute Firmen raus und nimmst schlechte rein damit.
Stell Dir vor eine Firma verkauft ihre Subunternehmen, die sie stark abgeschrieben hatte. Der Buchwert wird sich erhöhen bis die Firma alles verkauft hat. Oder es werden grosse Investitionen getätigt die gut rentieren, aber stark abgeschrieben werden. Der Buchwert wird sinken obwohl die Firma floriert.
Du hast da den Nagel auf den Kopf getroffen!
Der Buchwert ist mit größter Vorsicht zu genießen. Alle Unternehmen betreiben Bilanzpolitik und da hat man viele "Gestaltungsmöglichkeiten". Daher sehe ich mir immer Bilanzen an, da man häufig sehr schnell erkennen kann, ob ein Unternehmen in die ein oder andere Richtung übertreibt. D. h. in wie weit stehen die Behauptungen des Managements mit den angegebenen Bilanzwerten im Einklang.
Einige Beispiele:
Bei den Vorräten wird gerne getrickst. Berühmtes Beispiel sind die Computer-Festplatten, die ein Händler im Bestand hat. Da wurden drei Jahre alte Festplatten mit den Anschaffungskosten in der Bilanz angesetzt. Richtiger Bilanzansatz wäre eine Komplettabschreibung und eine Rückstellung für die Entsorgungskosten.
Beteiligungen. Viel zu hoher Good-will. Also die Firmen werden teuerer angesetzt als sie tatsächlich noch wert sind.
Immaterielle Vermögensgegenstände: Wertlose Patente werden immer noch viel zu hoch angesetzt.
Immobilien: Zuschreibungen aufgrund zweifelhafter und veralteter Sachverständigengutachten
Aktivierte Eigenleistungen: Gerade in der Computerbranche häufig verbreitet. Das selbstentwickelte Computerprogramm wird mit einem viel zu hohen Wert in der Bilanz angesetzt.
Und so weiter, und so weiter
Das war jetzt die negative Richtung, die ich geschildert habe. Es kann aber auch in die andere Richtung gehen. Viele Unternehmen versuchen möglichst viele Werte zu verstecken, da das sonst Begehrlichkeiten weckt, egal ob vom Staat oder von den Aktionären.
Häufig werden die sog. "Off-Balance"-Maßnahmen gerne vergessen. Die sieht man aber mit etwas Übung dann auch mit der Zeit.
Eine Bilanz ist stichtagsbezogen. Also nimmt man durch bestimmte Maßnahmen Bilanzkosmetik vor.
Bekannteste Maßnahme "Factoring" - also der Forderungsverkauf.
Auf der Aktiva gehen die Forderungen zurück - die Kasse nimmt zu. Anschließend reduziert man mit dem erhöhten Kassenbestand die kurzfristigen Verbindlichkeiten.
Folge: Bilanzverkürzung. Dadurch erhöht sich die EK-Quote und der Schuldenstand wird vermindert.
Wenn diese Forderungen nur für zwei Wochen aus der Bilanz verschwinden und dies über den Bilanzstichtag wird das häufig nicht bemerkt - auch nicht von vielen Analysten.
So - jetzt kann sich einmal jeder Gedanken darüber machen, ob es ein Blödsinn ist, sich Bilanzen anzusehen, wie es hier in einem anderen Thread geschildert wird. Der Teufel liegt oft im Detail. Bei einer deutschen AG bin ich aktuell auf einige Ungereimtheiten in der Bilanz gestoßen. Hier ist die IR-Abteilung des Unternehmens wenig auskunftstfreudig, was in mir massives Mißtrauen gegenüber diesem Unternehmen hervor ruft.