Der Himmel über dem Highway
Im Kampf gegen Netflix wirbt Disney mit der Thrillerserie „Big Sky“ um eine völlig neue Zielgruppe
Klar“, sagt der Polizist, Typ jovialer Familienvater mit Knubbelnase und Glatze, „klar helfe ich bei der Suche nach zwei vermissten Mädchen.“ Er steigt mit ins Auto ein. Eine
Sekunde später blicken wir, die Zuschauer wie der Fahrer, in den Lauf seines Revolvers und hören den Schuss. Vor allem aber sehen wir eine blutspritzende Explosion und sind konsterniert darüber, dass der Mann am Steuer, von dem wir bisher dachten, er sei der Serienheld, nun tot ist.
So knallhart und überraschend endet die erste Folge der neuen, neunteiligen Serie „Big Sky“ von David E. Kelley. Der ist zwar schon seit Mitte der 80er Jahre im Seriengeschäft erfolgreich, aber erlangte erst mit „Big Little Lies“ und „The Undoing“ den verdienten Ruhm. Inzwischen gehört er zu den gefragtesten „Showrunnern“ der USA – jenen Kreativen, die bei der Umsetzung ihrer Stoffe den Überblick und vor allem die Kontrolle haben dürfen.
Man ist aber nicht nur erstaunt über diesen rigorosen Knalleffekt zu Beginn, sondern auch darüber, wo sich dieser „große Himmel“ in all seiner Düsternis auftut – nämlich auf Disney+, dem Streamingdienst des MickyMausKonzerns. Der galt bisher als Hort von kindergerechtem FamilyEntertainment: Klassikerdes Animationsfilms und Tierdokus, rührende Komödien und märchenhafte Romanzen. Ein bisschen Action brachten allenfalls die Epen und Serien des „Star Wars“Universums ein, das Disney 2012 akquirierte.
Nun aber, angesichts des zuletzt durch die Corona Ausgangssperre angeheizten Heimkinomarktes, setzt auch Disney verstärkt auf per Internet angebotene Inhalte. Seit 2019 baut das Unternehmen seinen Streamingdienst mächtig aus. Disney+ ist da bei überraschend erfolgreich, verbucht nach einem Jahr 95 Millionen Abonnenten weltweit und fordert so Marktführer Netflix heraus. Der Konkurrent brauchte knapp zehn Jahre, um mehr als 200 Millionen Zuschauer an sich zu binden. Entführte Mädchen, Menschenhandel und Folter, perverse Täter hinter bürgerlichen Fassaden. Der Serienhorizont von „Big Sky“ ist ein etwas anderer, ein neuer auf Disney+. Es ist das erste Format des „Star“Kanals, eines weiteren Labels, das Disney nun als „sechste Welt“ lanciert (neben Disney, Marvel, Star Wars, Pixar und National Geographic).
Damit soll eine erwachsene Zielgruppe angesprochen werden, die bisher außen vor war beim Heimatstudio von Entenhausen und sonstigen Niedlichkeiten. In der Serie, die auf dem Roman „The Highway“ von C. J. Box basiert, kontrastiert die grandiose Landschaftskulisse von Montana mit einem eher klaustrophobischen Plot, in dem reale Verließe und gruftige Familienverhältnisse eine Rolle spielen. Es ist ein gewalttätiges und seelisch verkümmertes Amerika hinter einer schönbürgerlichen Fassade, das sich hier zeigt. In dieser zwielichtigen Welt fahndet eine Detektei nach zwei vermissten Teenagern.
Im Gegensatz zu Kelleys Glanzserien „Big Little Lies“ und „The Undoing“, die von den Schönen und Reichen handelten, geht es hier um normale Bürger – mit allerdings teilweise sehr abnormalen Neigungen. Im Zentrum der Serie, jenseits der entführten Mädchen, stehen zwei gestandene Frauen, die beide im Büro des Privatdetektivs Cody Hoyt (Ryan Phillippe) arbeiten. Und die um seine Gunst konkurrieren: Jenny (Katheryn Winnick) als seine Frau, Cassie (Kylie Bunbury) als Geliebte. Und was anfangs wie eine Beziehungsgroteske wirkt, wird alsbald zum knallharten Thriller, in dem sich die beiden eifersüchtigen Frauen verbünden, um ihre Liebe wiederzufinden – vor allem aber die beiden Vermissten. „Fargo“ und „Twin Peaks“ als Vorbilder Angesiedelt irgendwo zwischen den Serien Ikonen „Fargo“ und „Twin Peaks“ ist „Big Sky“ eine Reise in Amerikas Herzland der Finsternis. Ein Trip voller kauziger Kerle, sinisterer Seelen und getriebener Täter. Die beiden unerschütterlich forschen Privatdetektivinnen haben sich mit einer Männerwelt herumzuschlagen, die ihrerseits schwer traumatisiert scheint von einem Rollenwandel und Machtverlust, dem sie nicht gewachsen ist. Wir dürfen in die Abgründe einer vulnerablen Gruppe blicken, der die Virilität abhanden gekommen ist. Und darüber den neuen, „großen Himmel“ von Disney erkennen – eines Konzerns, zu dessen Diversity Konzept nun auch die Erwachsenen zählen.
Focus von heute
Viele $$$$$$$$$$$$$$$$$$$$ wünscht
bufett
Im Kampf gegen Netflix wirbt Disney mit der Thrillerserie „Big Sky“ um eine völlig neue Zielgruppe
Klar“, sagt der Polizist, Typ jovialer Familienvater mit Knubbelnase und Glatze, „klar helfe ich bei der Suche nach zwei vermissten Mädchen.“ Er steigt mit ins Auto ein. Eine
Sekunde später blicken wir, die Zuschauer wie der Fahrer, in den Lauf seines Revolvers und hören den Schuss. Vor allem aber sehen wir eine blutspritzende Explosion und sind konsterniert darüber, dass der Mann am Steuer, von dem wir bisher dachten, er sei der Serienheld, nun tot ist.
So knallhart und überraschend endet die erste Folge der neuen, neunteiligen Serie „Big Sky“ von David E. Kelley. Der ist zwar schon seit Mitte der 80er Jahre im Seriengeschäft erfolgreich, aber erlangte erst mit „Big Little Lies“ und „The Undoing“ den verdienten Ruhm. Inzwischen gehört er zu den gefragtesten „Showrunnern“ der USA – jenen Kreativen, die bei der Umsetzung ihrer Stoffe den Überblick und vor allem die Kontrolle haben dürfen.
Man ist aber nicht nur erstaunt über diesen rigorosen Knalleffekt zu Beginn, sondern auch darüber, wo sich dieser „große Himmel“ in all seiner Düsternis auftut – nämlich auf Disney+, dem Streamingdienst des MickyMausKonzerns. Der galt bisher als Hort von kindergerechtem FamilyEntertainment: Klassikerdes Animationsfilms und Tierdokus, rührende Komödien und märchenhafte Romanzen. Ein bisschen Action brachten allenfalls die Epen und Serien des „Star Wars“Universums ein, das Disney 2012 akquirierte.
Nun aber, angesichts des zuletzt durch die Corona Ausgangssperre angeheizten Heimkinomarktes, setzt auch Disney verstärkt auf per Internet angebotene Inhalte. Seit 2019 baut das Unternehmen seinen Streamingdienst mächtig aus. Disney+ ist da bei überraschend erfolgreich, verbucht nach einem Jahr 95 Millionen Abonnenten weltweit und fordert so Marktführer Netflix heraus. Der Konkurrent brauchte knapp zehn Jahre, um mehr als 200 Millionen Zuschauer an sich zu binden. Entführte Mädchen, Menschenhandel und Folter, perverse Täter hinter bürgerlichen Fassaden. Der Serienhorizont von „Big Sky“ ist ein etwas anderer, ein neuer auf Disney+. Es ist das erste Format des „Star“Kanals, eines weiteren Labels, das Disney nun als „sechste Welt“ lanciert (neben Disney, Marvel, Star Wars, Pixar und National Geographic).
Damit soll eine erwachsene Zielgruppe angesprochen werden, die bisher außen vor war beim Heimatstudio von Entenhausen und sonstigen Niedlichkeiten. In der Serie, die auf dem Roman „The Highway“ von C. J. Box basiert, kontrastiert die grandiose Landschaftskulisse von Montana mit einem eher klaustrophobischen Plot, in dem reale Verließe und gruftige Familienverhältnisse eine Rolle spielen. Es ist ein gewalttätiges und seelisch verkümmertes Amerika hinter einer schönbürgerlichen Fassade, das sich hier zeigt. In dieser zwielichtigen Welt fahndet eine Detektei nach zwei vermissten Teenagern.
Im Gegensatz zu Kelleys Glanzserien „Big Little Lies“ und „The Undoing“, die von den Schönen und Reichen handelten, geht es hier um normale Bürger – mit allerdings teilweise sehr abnormalen Neigungen. Im Zentrum der Serie, jenseits der entführten Mädchen, stehen zwei gestandene Frauen, die beide im Büro des Privatdetektivs Cody Hoyt (Ryan Phillippe) arbeiten. Und die um seine Gunst konkurrieren: Jenny (Katheryn Winnick) als seine Frau, Cassie (Kylie Bunbury) als Geliebte. Und was anfangs wie eine Beziehungsgroteske wirkt, wird alsbald zum knallharten Thriller, in dem sich die beiden eifersüchtigen Frauen verbünden, um ihre Liebe wiederzufinden – vor allem aber die beiden Vermissten. „Fargo“ und „Twin Peaks“ als Vorbilder Angesiedelt irgendwo zwischen den Serien Ikonen „Fargo“ und „Twin Peaks“ ist „Big Sky“ eine Reise in Amerikas Herzland der Finsternis. Ein Trip voller kauziger Kerle, sinisterer Seelen und getriebener Täter. Die beiden unerschütterlich forschen Privatdetektivinnen haben sich mit einer Männerwelt herumzuschlagen, die ihrerseits schwer traumatisiert scheint von einem Rollenwandel und Machtverlust, dem sie nicht gewachsen ist. Wir dürfen in die Abgründe einer vulnerablen Gruppe blicken, der die Virilität abhanden gekommen ist. Und darüber den neuen, „großen Himmel“ von Disney erkennen – eines Konzerns, zu dessen Diversity Konzept nun auch die Erwachsenen zählen.
Focus von heute
Viele $$$$$$$$$$$$$$$$$$$$ wünscht
bufett