(21.06.2025, 08:30)cubanpete schrieb: Wie ihr ja hier und im Vorgänger Forum seit über einem Jahrzehnt beobachten könnt verwende ich ausschliesslich mechanische Strategien.
Bevor wir auf die Details eingehen wie solche Strategien konstruiert werden zunächst ein paar Worte über das "warum".
Warum brauche ich so strenge Regeln, traue ich mir selbst nicht? Antwort ist ja, und zwar aus gutem Grund. Niemand sollte sich selbst bei Investitions Entscheidungen trauen. Unser Höhlenmenschen Gehirn ist einfach nicht dafür ausgestattet. Was in unserem Hirn dafür gesorgt hat dass wir überlebt haben sorgt auch dafür dass wir andauernd Fehlentscheidungen treffen wenn es um das Investieren geht.
Schuld daran sind psychologische Täuschungen. Das sind Abkürzungen die unser Hirn braucht um manchmal in gefährlichen Situationen schnell das zu tun was überleben sichert. Psychologen haben über hundert solche Täuschungen identifiziert die sich negativ auf das Investieren auswirken(!). Das fiese daran: Du kannst diese Täuschungen bis ins Detail kennen und fällst trotzdem immer wieder drauf rein. Ansonsten wären wohl die Psychologen die reichsten Menschen auf der Welt... OK, sie sind reich, aber nur weil es genügend Leute gibt denen sie saftige Stundenlöhne verrechnen können.
Ich gehe sogar so weit zu sagen dass eine einfache mechanische Strategie bereits einen Vorteil gegenüber Index Investing oder proprietären Trading bringt. Sie schaltet das Verhaltensrisiko aus, und das ist ein Risiko das nicht entschädigt wird und das sehr grosse Verluste oder entgangene Gewinne beinhaltet.
Erfolgreich investieren ist doch eigentlich ganz einfach: man kauft billiger als man verkauft. Das bedeutet aber dass man sehr oft gegen die Masse handeln muss. Das ist schwierig und tut weh, unser ganzer Körper sträubt sich dagegen. Um so wichtiger ist es exakte Regeln zu haben die zu unmissverständlichen Handels Anweisungen führen.
Beim proprietären Handel ist klar wo die Probleme liegen: bei uns selbst. Aber auch das Investieren in Index via ETF birgt ähnliche Probleme. Zunächst auch wieder bei uns selbst. Peter Lynch, der legendäre Fonds Manager, hat einmal gesagt dass seine Kunden im Durchschnitt Geld verloren haben; sie haben seinen Fonds immer dann gekauft wenn er am teuersten war und dann verkauft wenn er am billigsten war. Es war äusserst schwierig mit diesem Fonds Geld zu verlieren, aber die Verhaltensfehler der Kunden haben sogar das fertig gebracht.
Dazu kommt dass viele Index nicht mechanisch konstruiert sind. Der Nasdaq100 z.B. ist mechanisch konstruiert, der SP500 leider nicht. Das hat zu Verhaltensrisiko geführt das teuer war und nicht entschädigt wurde. Sogar das Gremium das bestimmt was im Index aufgenommen oder aus dem Index entfernt ist will anonym bleiben. Aus gutem Grund, die Fehlentscheidungen die dort getroffen wurden haben die Anleger bereits eine ganze Stange Geld gekostet. Sie haben Regeln publiziert, z.B. dass eine Firma 12 Monate Gewinn erwirtschaftet haben muss. 1994, als es viel Geld gebracht hätte, wurden gerade mal 4 Tech Titel aufgenommen. Im Jahr 2000 hingegen waren fast die Hälfte der aufgenommenen Titel, 24 von 58, Technologiewerte auf ihrem Höchststand. Viele davon haben nie auch nur einen Cent verdient, wären also eigentlich gegen die SP500 Regeln gewesen. Was nachher passierte wissen wir alle...
Ich bin nicht grundsätzlich gegen Index investing, ganz im Gegenteil. Aber man sollte einen mechanisch konstruierten Index benutzen. Wenn ein Gremium involviert ist so hat es die gleichen psychologischen Probleme wie wir alle. Wenn es strenge Regeln gibt dann braucht es kein Gremium. Ausserdem ist ein Gremium das seine eigenen Regeln verletzt etwa das selbe wie wenn ich mich nicht an meine mechanischen Regeln halten würde; ich verliere die Edge die mir das Vermeiden von Verhaltensrisiko bringt.
Als Beispiel für einen mechanisch konstruierten Index nennst du den Nasdaq 100. Ich konnte bisher so recht keine weiteren finden. Kannst du bitte weitere nennen, wenn es dir möglich ist?