Mehr Einsatz von Kohlekraftwerken geplant.
Zitat:Deutschlands stille Reserven – diese Idee kann das akute Strompreis-Problem lösen
Von Daniel Wetzel Wirtschaftsredakteur
Veröffentlicht am 31.03.2025
Kohlekraftwerke wurden aus Klimaschutzgründen weitgehend von der Stromversorgung im Land ausgeschlossen. Nun will Schwarz-Rot diese Reserven nutzen, um die Strompreise in Spitzenzeiten zu dämpfen. Ein Kraftwerksbetreiber rechnet vor, welch mildernder Effekt sich ergeben könnte.
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Die neue Regierungskoalition will den Strompreis rasch um mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde drücken. In der Arbeitsgruppe Klima und Energie von Union und SPD herrscht darüber bereits Einigkeit. Die Frage ist nur: wie?
Als Mittel zum Zweck stehen bislang nur zwei Maßnahmen im Fokus der Diskussion: die Absenkung der Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß und ein Bundeszuschuss zu den Netzentgelten. Doch ob beides für die Fünf-Cent-Minderung ausreicht, ist zweifelhaft.
Deshalb haben sich Union und SPD auf einen dritten Mechanismus verständigt. Und der hat das Zeug dazu, schnell Kostendruck vor allem von der Industrie zu nehmen. Die deutsche Reserve an Kohlekraftwerken, so die Idee, soll künftig nicht nur vor Blackout schützen, sondern künftig auch helfen, Strompreisspitzen zu kappen.
„Ein größeres Energieangebot dient der Stabilisierung und Reduzierung der Stromkosten“, heißt es im entsprechenden Kapitel des Entwurfs des Koalitionsvertrages, der an die Medien durchsickerte: „Dazu sollen künftig Reservekraftwerke nicht nur zur Vermeidung von Versorgungsengpässen, sondern auch zur Stabilisierung des Strompreises zum Einsatz kommen.“ Anders als viele andere Maßnahmen steht die Aussage nicht in eckigen Klammern und das heißt: CDU/CSU und SPD sind sich über dieses Instrument einig.
Der scheinbare Rückfall in die Kohleverstromung dürfte zu einem Aufschrei bei den Nichtregierungsorganisationen (NGO) im Klimaschutz führen. Und nicht nur dort: Auch Deutschlands größter Kraftwerksbetreiber RWE äußerte sich zuletzt kritisch über den Plan, Kohlekraftwerke zum Preisdrücken zu verwenden. Doch die Kritik kann nicht in jedem Punkt überzeugen.
Schon aus Verbrauchersicht sind die ungenutzten Kraftwerksreserven ärgerlich. Die deutsche Wirtschaft kollabiert unter dem Druck der Energiekosten, Fabriken schließen, Fertigung wird ins Ausland verlagert: Auf der anderen Seite stehen Stromerzeuger ungenutzt in der Landschaft herum, obwohl sie die Preise deutlich senken könnten.
Steag-Vorschlag für Reservekraftwerke
Es handelt sich um eine ansehnliche Flotte von Kraftwerken mit insgesamt 8,5 Gigawatt Leistung, die derzeit nicht am Strommarkt teilnehmen dürfen und in die Reserve verbannt sind. Steinkohlekraftwerke machen dabei mit 6,3 Gigawatt den Löwenanteil aus. Der Rest sind vor allem Gas- und ein paar Ölkraftwerke.
Ihr Einsatz ist laut „Kohleverstromungsbeendigungsgesetz“ aus Klimaschutzgründen verboten. Doch wurden die Betreiber von der Bundesnetzagentur verpflichtet, die Anlagen ständig betriebsbereit zu halten – weil man Wind- und Solarstrom-Produzenten allein nicht zutraut, Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Der Essener Kraftwerksbetreiber Steag hat nun einen Vorschlag für einen besseren Einsatz der Anlagen gemacht, der es augenscheinlich in das Koalitionspapier geschafft hat. Die Idee: Wann immer der Strompreis an der Börse im sogenannten Day-Ahead-Markt eine gewisse Schwelle überschreitet, dürfen die Kohlekraftwerke zurück ans Netz und am Marktgeschehen teilnehmen. Das würde die Stromspitze sofort wieder eindämmen.
Mit dieser Idee würde ein akutes Problem der Stromversorgung in Deutschland rasch abgemildert. Denn starke Schwankungen des Strompreises sind immer häufiger zu beobachten, seit wetterabhängige Wind- und Solaranlagen den Energiemarkt bestimmen. In einer winterlichen „kalten Dunkelflaute“, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, kann der Börsenstrompreis durchaus von „normalen“ 60 auf über 900 Euro pro Megawattstunde katapultiert werden.
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