abwarten
Zitat:EZB-Sitzung am Donnerstag:
Die Tür für Zinsen unter zwei Prozent ist offen
Von Christian Siedenbiedel
02.06.2025
Die EZB dürfte am Donnerstag die Zinsen senken. Zum achten Mal in diesem Zyklus. Danach wird es so langsam spannend.
An diesem Donnerstag entscheidet der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt über die Leitzinsen. Eine abermalige Zinssenkung um 0,25 Prozentpunkte scheint eine „beschlossene Sache“ zu sein, wie es Carsten Brzeski formuliert, Ökonom der Bank ING. Ähnlich äußerten sich ausnahmslos alle von der Nachrichtenagentur Bloomberg zu diesem Thema befragten Ökonomen. Es wäre die achte Zinssenkung in diesem Zyklus. Der EZB-Einlagensatz, der mittlerweile als der entscheidende Leitzins gilt, würde auf zwei Prozent sinken.
„Die Befürchtungen hinsichtlich eines globalen Handelskonfliktes haben sich seit der Sitzung im April abgeschwächt, gleichwohl bleiben Handelsspannungen bestehen“, scheiben die Analysten von Allianz Global Investors. Währenddessen deuteten Umfragen für den Euroraum auf eine anhaltend schwache Konjunktur und einen nachlassenden Inflationsdruck hin: „Wir gehen daher davon aus, dass die EZB in ihrem Statement weiterhin auf Abwärtsrisiken für das Wirtschaftswachstum verweisen wird.“ Die Inflationsrate für den Euroraum hatte im April auf 2,2 Prozent verharrt.
Wann ist Schluss für die EZB?
Die spannende Frage jetzt: Wird das die letzte Zinssenkung in diesem Zyklus sein – oder geht die EZB mit den Zinsen auch weiter runter, unter zwei Prozent? Die Meinungen der EZB-Beobachter dazu sind unterschiedlich. „Aktuelle Prognosen für den Einlagensatz zum Jahresende 2025 liegen in einer Spanne zwischen 1,5 und 2,0 Prozent“, schreiben die Analysten der Raiffeisenbank International.
Bei 2,0 Prozent sei wahrscheinlich Schluss, meint beispielsweise Laura Cooper, Anlagestrategin des Vermögensverwalters Nuveen. Andere EZB-Beobachter sind überzeugt, angesichts der Trump-Zölle und der allgemeinen Unsicherheit werde die EZB noch weiter nach unten gehen. Commerzbank-Ökonom Marco Wagner beispielsweise rechnet mit einer weiteren Zinssenkung um 0,25 Prozentpunkte im September, wenn die EZB-Volkswirte neue Prognose für Wachstum und Inflation vorlegen.
Die Terminmärkte scheinen auch zu dieser Erwartung von noch zwei Zinssenkungen in diesem Jahr zu tendieren, wie sich an den Kurven der „Overnight Index Swaps“ ablesen lässt, das sind spezielle Terminkontrakte zur Absicherung von Zinsrisiken. Die Europavolkswirte der Deutschen Bank halten es zumindest für nicht ausgeschlossen, dass die EZB noch vor Jahresende die Zinsen sogar bis auf 1,5 Prozent senkt. Dort sehen sie die „Terminal Rate“, den Schlusszinssatz.
Bundesbankpräsident Nagel mahnt zur Vorsicht
„Mit konkreten Signalen wird EZB-Präsidentin Lagarde sehr vorsichtig umgehen“, meint Gunter Deuber, Chefvolkswirt von Raiffeisen Research. Die EZB ziehe sich schon längere Zeit auf einen datengetriebenen Ansatz mit Entscheidungen von Sitzung zu Sitzung zurück. „Angesichts der Tatsache, dass verschiedene EZB-Ratsmitglieder sehr unterschiedliche Ansichten über den weiteren Zinspfad äußern, erscheint eine Vorfestlegung noch unwahrscheinlicher als sonst“, meint Deuber.
Bundesbankpräsident Joachim Nagel hatte zuletzt zur Vorsicht gemahnt. Und das österreichische Ratsmitglied Robert Holzmann forderte, man solle die durch Donald Trumps Frontalangriff auf den Welthandel geschürte Unsicherheit erst mal abebben lassen, bevor man weitere Zinssenkungen ins Auge fasse.
Zwei Aspekte sind dabei interessant. Erstens gilt es als relativ wahrscheinlich, dass Trumps Zollpolitik dem Euroraum eher niedrigeres Wachstum und eine gedämpfte Inflation bescheren wird. Ganz sicher ist das angesichts möglicher EU-Gegenzölle und anderer Faktoren aber nicht. Zweitens hat in der EZB eine Debatte eingesetzt, ob die Leitzinsen nun das sogenannte neutrale Niveau erreicht haben, auf dem die Wirtschaft weder gebremst noch angeschoben wird. Dann würde sich die Frage stellen, ob die Notenbank die Zinsen auch unter dieses Niveau senken sollte. EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel hatte sich unlängst dagegen ausgesprochen – Italiens Notenbankchef Fabio Panetta dafür.
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