Zitat:Reiche wird Wirtschaftsministerin im Merz-Kabinett
Am Montag präsentieren Friedrich Merz und Markus Söder ihre Minister für das Kabinett. Auch auf den Fraktionschef haben sich beide verständigt. Die Personalie wird polarisieren.
Daniel Delhaes, Kirsten Ludowig, Anja Müller
27.04.2025
Berlin. Namen kursierten seit einigen Tagen im politischen Berlin, doch spätestens morgen dürften aus den Gerüchten endlich Gewissheiten werden: Die ehemalige brandenburgische CDU-Politikerin und aktuelle Energiemanagerin Katherina Reiche soll in einem Kabinett von Friedrich Merz Bundeswirtschaftsministerin werden. Dies erfuhr das Handelsblatt aus mehreren Quellen in Partei- und Branchenkreisen.
An diesem Montag wird Friedrich Merz auf einem kleinen Parteitag im Berliner Hotel Estrel seine Kabinettsliste präsentieren und erklären. Zuvor wird er morgens das Präsidium und den Vorstand informieren. Zeitgleich tagen die Gremien der CSU, in denen Parteichef Markus Söder seine Entscheidungen präsentieren wird. Am Mittwoch dann dürfte die SPD folgen, sollte der Mitgliederentscheid über den Koalitionsvertrag positiv ausgehen. Am 6. Mai soll Merz im Bundestag zum Kanzler gewählt und sollen die Ministerinnen und Minister vereidigt werden.
Vorher werden auf dem CDU-Parteitag 120 Delegierte den Entwurf des Koalitionsvertrags absegnen. Zugleich werden sie die Ministerriege feiern. Sieben Minister wird die CDU stellen, sieben die SPD, drei die CSU.
Kanzleramtsminister wird demnach Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei werden. Merz und Söder werden zudem der Fraktion Jens Spahn als neuen Vorsitzenden vorschlagen. „Wenn Jens Spahn kandidieren würde, dann hätte er meine Sympathie und Unterstützung“, sagte Söder am Sonntag in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ und bestätigte damit Spekulationen der vergangenen Tage. Spahn hatte erst kürzlich für Aufsehen gesorgt, weil er dafür plädiert hatte, die AfD im Parlament wie jede andere Partei zu behandeln.
Andere Spekulationen, dass etwa mit Johann Wadephul (Außenminister) und Karin Prien (Bildung) gleich zwei CDU-Politiker aus dem kleinen Schleswig-Holstein am Kabinettstisch sitzen würden, galten am Sonntag ebenso als gesichert – auch wenn es dann ein regionales Übergewicht gäbe. Der Verleger Wolfram Weimer, der am Tegernsee jedes Jahr einen Ludwig-Erhard-Gipfel veranstaltet, soll Kulturstaatssekretär werden. Merz, der am Tegernsee ein Haus besitzt, nimmt regelmäßig an der Veranstaltung zum Gedenken an den Vertreter der Sozialen Marktwirtschaft teil.
Reiche soll die Energiepolitik neu aufstellen
Der amtierende Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, wird demnach doch nicht Bundesverkehrsminister. Wie es hieß, sei die Überlegung wieder verworfen worden. Es soll aber vier ostdeutsche CDU-Staatssekretäre in Ministerien geben, um die Repräsentanz ostdeutscher Politiker zu erhöhen. Verkehrsministerin soll Ina Scharrenbach, Ministerin in NRW, werden.
Besondere Aufmerksamkeit wird Katherina Reiche erhalten. Die Brandenburgerin war Bundestagsabgeordnete, Staatssekretärin, Verbandsgeschäftsführerin, Vorstandsvorsitzende und dürfte nun Wirtschaftsministerin werden. Reiche kann damit auf eine ungewöhnliche Karriere in Politik und Wirtschaft blicken. Mit der Personalie ist klar, dass der Schwerpunkt des Wirtschaftsressorts künftig auf Energiepolitik liegen wird.
Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD bereits festgehalten, dass sie „die Energiewende transparent, planbar und pragmatisch zum Erfolg machen“ und in der Energiepolitik „für eine konsequente Ausrichtung aller Bereiche auf Bezahlbarkeit, Kosteneffizienz und Versorgungssicherheit“ stehen wollen.
Die Aufgabe sei ein Kraftakt, bei dem Reiche zugutekomme, dass sie die Energiewende durchdringe, für Technologieoffenheit und Energievielfalt stehe und einen klaren marktwirtschaftlichen Kompass habe, sagt eine mit der Personalie vertraute Person dem Handelsblatt. Reiche solle das Wirtschaftsministerium „im Geiste Ludwig Erhards wieder zum ordnungspolitischen Gewissen der neuen Bundesregierung“ machen und „nicht reden, sondern umsetzen“.
Die 51-Jährige kennt den Politikbetrieb. 1992 trat sie in die Junge Union ein und saß insgesamt von 1998 bis 2015 im Bundestag, war von 2005 bis 2009 Fraktionsvizin. Sie war Parlamentarische Staatssekretärin im Umwelt- und auch im Verkehrsministerium. Nach ihrem Ausscheiden hielt sie engen Kontakt in die Politik. So ist sie etwa seit Sommer 2020 im Ehrenamt Vorsitzende des Nationalen Wasserstoffrates der Bundesregierung.
Seit Oktober 2020 ist die Diplom-Chemikerin nun Vorstandsvorsitzende der Westenergie AG und eine der bekanntesten Top-Managerinnen der Energiebranche. Hervorgegangen ist der Dienstleister und Infrastrukturanbieter mit Sitz in Essen und rund 11.000 Beschäftigten aus dem Geschäft mit Stromnetzen und -vertrieb der ehemaligen RWE-Tochter Innogy, die Eon 2019 übernommen hatte.
Lob für Reiche aus dem Unternehmerlager
Seit Reiches Amtsantritt hat Westenergie seinen Gesamtumsatz von 5,9 Milliarden Euro im Jahr 2021 auf 8,7 Milliarden Euro im vergangenen Jahr gesteigert. Ergebniszahlen werden nicht veröffentlicht, laut Handelsblatt-Informationen aus Branchenkreisen soll sich der Betriebsgewinn des Unternehmens binnen fünf Jahren verdoppelt haben. Auch sollen unter Reiche mehr als 1,5 Milliarden Euro in die Modernisierung und Digitalisierung des Verteilnetzes investiert worden seien. Eine Sprecherin von Westenergie wollte sich auf Anfrage weder zur Personalie noch zu den Geschäftszahlen äußern.
Katherina Reiche duckt sich nicht weg.
Arndt Kirchhoff
Präsident der Unternehmer NRW
Westenergie ist die größte Eon-Tochter und bündelt alle regionalen Aktivitäten des Energiekonzerns im Westen Deutschlands, also in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen. Das Unternehmen betreibt neben 195.000 Kilometern an Strom- und 37.000 Kilometern an Gasnetzen sowie 9000 Kilometern an Wasserleitungen auch ein 12.000 Kilometer langes Breitbandnetz. Etwa acht Millionen Menschen werden von Westenergie mit Strom versorgt, etwa 4,8 Millionen mit Gas.
Arndt Kirchhoff, Präsident der Unternehmer NRW und Chef des Aufsichtsrats der Kirchhoff-Gruppe, lobte die Entscheidung für Reiche. „Katherina Reiche duckt sich nicht weg“, sagte er dem Handelsblatt. Reiche setze sich engagiert ein und bringe einen „absolut marktwirtschaftlichen Kompass“ mit. Zudem sei sie dynamisch und jung und zeige, wie sich Karriere und Familie vereinbaren ließen.
Ihre wichtigste Aufgabe zu Beginn ihrer Amtszeit werde sein: „Vertrauen zurückzugewinnen.“ Unternehmer wie Bürger hielten sich mit Investitionen zurück. Wenn es Reiche und der Regierung Merz gelinge, Vertrauen in die Marktwirtschaft zurückzuerlangen, dann sei „ein sehr wichtiger Schritt Richtung Zukunft“ getan.
https://www.handelsblatt.com/politik/deu...23300.html
__________________
Kinder wollen nicht wie Fässer gefüllt, sondern wie Fackeln entzündet werden.