RE: Finanzberatung? Nein Danke! | 28.11.2019, 11:07
Gewinne mitnehmen.
Ein beliebtes Vorgehen.
Von mitgenommenen Gewinnen ist noch niemand arm geworden.
Ich halte nichts vom Gewinne mitnehmen. Darin steckt ein Fehler, der gern übersehen wird und der eine Menge Geld kosten kann. Und der Grund dafür ist die menschliche Psychologie. Allerdings gilt das nur für wirkliche Anleger, jedoch nicht für die Aktienhopper, die heute die und morgen eine andere Aktie kaufen.
Wie sagte doch Dough Heferman so schön zu seiner Frau in der Serie "King of Queens"? „Wir sind Langfristanleger, wir halten doch die Aktie schon eine ganze Woche!“
Folgender Fall, der den Gewinnmitnehmern gewiss bekannt vorkommen wird. Eine Aktie, nennen wir sie XYZ steht heute bei $100. Man hat also 100 Stück davon im Depot. Seit ein paar Tagen steigt die Aktie und eines schönen Tages steht sie mit $120 an der Tafel. Toll! $2,000 Gewinn, den muss man mitnehmen. Also wird die Aktie verkauft.
Am nächsten Tag steht die Aktie bei $115 und man reibt sich die Hände ob der nicht verlorenen $500 die man verbucht hätte, hätte man heute verkauft. Am nächsten Tag steht die Aktie bei $100 und man ist regelrecht glücklich ein so gutes Geschäft gemacht zu haben.
Da man sich ja sowieso nie darüber klar geworden ist, was für eine Unternehmung hinter der Aktie steht, zählt nur der Wert, der gerade an der Tafel steht.
Doch dann steigt die Aktie. Zuerst werden die $120 wieder erreicht und unser schlauer Anleger denkt: „Na ja, immerhin, ich habe schließlich immer noch mehr, als ich beim Kauf damals bezahlt habe.“
Und nun beginnt das Dilemma. Die Aktie steigt und steigt. Unser Anleger fängt an sich zu ärgern. Eine Zeitlang verfolgt er den Kurs noch, doch dann beschließt sein Gehirn, sich dieses Dilemma nicht weiter anzusehen. Und unser Spekulant verliert das Interesse.
Nach einem Jahr, er liest sämtliche schlechte Nachrichten über den verkauften Wert, in der Hoffnung ihn für $120 zurückkaufen zu können, steht die Aktie bei $200.
Für diesen Preis will er die Aktie nicht zurückkaufen, denn aus dem putativen Gewinn von $2,000 wäre dann ein entgangener Gewinn von $8,000 geworden und das verträgt sein Gehirn nicht. Also lässt er es und kauft die Aktie nicht.
Natürlich, durch die Gewinnmitnahme ist er nicht ärmer geworden, aber reicher eben auch nicht.
Dieser Vorgehensweise liegen zwei Denkstrukturen zugrunde.
1) Der „Anleger“ kennt seine Werte nicht, er weiß nicht, oder will nicht wissen, welche Unternehmung hinter der Aktie steht.
2) Ein einmal gemachter realer Gewinn kann und darf nicht zu einem virtuellen Verlust werden, das verbietet ihm die Steinzeitlogik, die in all unseren Hirnen noch vorhanden ist.
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RE: Finanzberatung? Nein Danke! | 28.11.2019, 11:25
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 28.11.2019, 11:25 von cubanpete.)
Man kann gar nicht genug erwähnen wie wichtig es ist Gewinner zu behalten und, wenn überhaupt verkaufen dann besser die Verlierer. Ich fahre eine Momentum Strategie in dem ich sogar das Gegenteil mache als die Gewinner zu verkaufen, die Gewinner werden teurer nachgekauft.
In meiner Big cap Strategie allerdings habe ich eine leicht abgeänderte Methodik: ich halte dort mindestens 25 Titel. Wenn ein Titel sich 25% über den Durchschnitt katapultiert so verkaufe ich diesen Gewinn. Ich sehe das als eine Art Sonderdividende von 25% an.
Wir sprechen hier von Dickschiffen die sich normalerweise nur sehr langsam bewegen. Und sie bewegen sich meist zusammen, Aktien haben hohe Korrelation. Wenn jetzt eine Aktie so viel mehr zulegt als alle anderen so kommt sie meistens auch wieder zurück zum Durchschnitt. Tut sie das nicht bin ich ja immer noch dabei, um so besser; habe ich halt zwischendurch mal 25% Spezialdividende bekommen.
Den Erlös verteile ich auf die Positionen die weniger als der Durchschnitt aller Positionen wert sind. Diese einfache Strategie zwingt mich zum antizyklischen Handel und das ist ein Vorteil.
Falls es jemanden interessiert habe ich hier meine komplette Strategie veröffentlicht: https://www.trading-stocks.de/thread-135...tml#pid732
Im entsprechenden Thread veröffentliche ich auch einmal im Monat einen Bericht darüber.
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RE: Finanzberatung? Nein Danke! | 28.11.2019, 11:26
(28.11.2019, 11:07)bloom schrieb: Ich halte nichts vom Gewinne mitnehmen. Darin steckt ein Fehler, der gern übersehen wird und der eine Menge Geld kosten kann. Und der Grund dafür ist die menschliche Psychologie. Allerdings gilt das nur für wirkliche Anleger, jedoch nicht für die Aktienhopper, die heute die und morgen eine andere Aktie kaufen. Viel gravierender finde ich den echten Verlust durch die Kapitalertragssteuer. Da sind in D fast 30% auf nimmer wiedersehen weg.
Aber auch als wirklicher Anleger muss man sich eingestehen können, dass man sich bei dem ein oder anderen Investment getäuscht hat, oder die Entwicklung nicht mehr so rosig aussieht - was auch einschliesst, dass man sich beim Verkauf vertan hat. Das festhalten kann sehr teuer werden, siehe z.B. GE.
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RE: Finanzberatung? Nein Danke! | 28.11.2019, 11:56
Ich für meinen Teil trainiere mir tatsächlich im Moment immer weiter an, mich nur noch
an den Dividenden zu orientieren, die Kurse sollen mich eigentlich nicht mehr interessieren,
das fällt einem aber zugegebenermaßen sehr schwer, so lange es immer nur in die eine
Richtung geht und auf dem Papier das Depot immer weiter "anwächst" - aber letztendlich
ist das Augenwischerei wenn man nicht vor hat das zu realisieren
Gewinnmitnahmen sind aber meiner Meinung nach dann ok, wenn man im long run
den Glauben an ein Unternehmen verliert - so war es bei mir mit Boeing, ich habe da
20 % Plus realisert, weil ich absolut nicht absehen kann wie sich das in den kommenden
Monaten/Jahren entwickelt. Ich sehe das so ähnlich wie bei den Autoherstellern,
"wer einmal lügt dem glaubt man nicht mehr..." - Stichwort Abgasskandal.
Boeing wusste von dem Fehler, er ist im Simulator schon lange vorher aufgetreten,
die Maschinen dann weiter in der Luft zu halten halte ich für mehr als grob fahrlässig
und wer weiss dann am Ende des Tages wieviel Dreck da noch am Stecken ist.
Auch das ist für mich eine elementare Veränderung in einem Geschäftsmodell. Wenn sich
das in den kommenden Monaten / Jahren als Fehler entpuppt dann ist das eben so.
Was ich nur sagen will, ich bin der Meinung das die Aussagen des ewigen Haltens eben
auch nur dann gelten sollten wenn sich das Geschäftsmodell nicht verändert hat,
oder wie in diesem Fall eben auch Dinge auftreten die einen an der Nachhaltigkeit
zweifeln lassen.
Rückblickend kann man das auch gut bei BuH2012 bei Seeking Alpha sehen, der hat
immer an GE festgehalten, weil er ebenso nie verkauft. Dort wurden aber auch
Bilanzen "optimiert" und noch ein paar andere Dinge gemacht die ich als Aktionär nicht
gut heisse - was aber nicht heisst, das er nicht in weiteren 20 Jahren (so er dann noch lebt),
nicht doch recht behalten kann Das ist ja am Ende des Tages das spannende an dem
Thema.
RE: Finanzberatung? Nein Danke! | 28.11.2019, 12:10
Man sollte zumindest von den toten Pferden absteigen.
RE: Finanzberatung? Nein Danke! | 28.11.2019, 13:53
(28.11.2019, 12:10)Ventura schrieb: Man sollte zumindest von den toten Pferden absteigen. Tja, wenn man immer wüsste, wann ein Pferd tot ist.
Zwei Beispiele:
GE: wer hätte gedacht, dass ein CEO Jeffrey Immelt, einen Weltkonzern in die Knie zwingen könnte?
GIS: Als die Unternehmung Buffalo kauften, war jeder überzeugt davon, dass dies nicht gut ausgehen würde, der Kurs sank bei mir bis -20% des Einkaufspreises. GIS hat jedoch immer Dividenden gezahlt und der Cash Flow stimmte auch immer. Heute ist Buffalo einer der großen Gewinner für GIS.
Selbst das tote Pferd GE regt sich wieder. Und ich habe die Aktien zurückgekauft, als Jerry Culp den Helmet bekam. Der war CEO von Danaher und hat einen richtig guten Job dort gemacht. Heute ist mein GE Engagement wieder mit 47% im plus und ich warte darauf, wann die Dividende wieder angehoben wird. Auch wenn Tusa stets gegen GE predigt. Der kennt auch nicht die Zkunft.
RE: Finanzberatung? Nein Danke! | 28.11.2019, 13:56
(28.11.2019, 11:56)fahri schrieb: Ich für meinen Teil trainiere mir tatsächlich im Moment immer weiter an, mich nur noch
an den Dividenden zu orientieren, die Kurse sollen mich eigentlich nicht mehr interessieren,
das fällt einem aber zugegebenermaßen sehr schwer, so lange es immer nur in die eine
Richtung geht und auf dem Papier das Depot immer weiter "anwächst" - aber letztendlich
ist das Augenwischerei wenn man nicht vor hat das zu realisieren
Gewinnmitnahmen sind aber meiner Meinung nach dann ok, wenn man im long run
den Glauben an ein Unternehmen verliert - so war es bei mir mit Boeing, ich habe da
20 % Plus realisert, weil ich absolut nicht absehen kann wie sich das in den kommenden
Monaten/Jahren entwickelt. Ich sehe das so ähnlich wie bei den Autoherstellern,
"wer einmal lügt dem glaubt man nicht mehr..." - Stichwort Abgasskandal.
Boeing wusste von dem Fehler, er ist im Simulator schon lange vorher aufgetreten,
die Maschinen dann weiter in der Luft zu halten halte ich für mehr als grob fahrlässig
und wer weiss dann am Ende des Tages wieviel Dreck da noch am Stecken ist.
Auch das ist für mich eine elementare Veränderung in einem Geschäftsmodell. Wenn sich
das in den kommenden Monaten / Jahren als Fehler entpuppt dann ist das eben so.
Was ich nur sagen will, ich bin der Meinung das die Aussagen des ewigen Haltens eben
auch nur dann gelten sollten wenn sich das Geschäftsmodell nicht verändert hat,
oder wie in diesem Fall eben auch Dinge auftreten die einen an der Nachhaltigkeit
zweifeln lassen.
Rückblickend kann man das auch gut bei BuH2012 bei Seeking Alpha sehen, der hat
immer an GE festgehalten, weil er ebenso nie verkauft. Dort wurden aber auch
Bilanzen "optimiert" und noch ein paar andere Dinge gemacht die ich als Aktionär nicht
gut heisse - was aber nicht heisst, das er nicht in weiteren 20 Jahren (so er dann noch lebt),
nicht doch recht behalten kann Das ist ja am Ende des Tages das spannende an dem
Thema. Im Prinzip hast du recht (Boeing), allerdings solltest du berücksichtigen, dass die Schafherde ein äußerst kurzes Gedächtnis hat. Siehe Exxon Waldez, Macondo und VW.
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RE: Finanzberatung? Nein Danke! | 28.11.2019, 14:00
GE ist ein gutes Beispiel. War bei mir seit einiger Zeit auf "hold", also keine Investition der Dividenden die eh unterdessen sehr mickrig sind. In wenigen Monaten hätte ich GE wohl verkauft, eine meiner Anforderungen in der Bigcap Strategie ist ja eine Dividendenrendite von mindestens 2%.
Hätte, weil unterdessen hat sich GE in meine Momentum Kaufliste gemausert. Ich habe also GE in meiner Bigcap Strategie verkauft und in meiner Momentum Strategie gekauft. Wohlverstanden, das ganze nur intern in meiner eigenen Buchhaltung, Börsenaufträge waren dafür nicht nötig.
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RE: Finanzberatung? Nein Danke! | 28.11.2019, 14:10
(28.11.2019, 13:56)bloom schrieb: Im Prinzip hast du recht (Boeing), allerdings solltest du berücksichtigen, dass die Schafherde ein äußerst kurzes Gedächtnis hat. Siehe Exxon Waldez, Macondo und VW.
Ja - wobei mich eben die Schafherde wie du sie nennst - eben nicht mehr
so recht interessieren (soll) Dann würde ich Kurse kaufen und keine
möglichst langfristigen Dividendenzahler suchen.
Gekauft habe ich Boeing weil sie eine von zwei nennenswerten Flugzeugherstellern
sind und die Maschinen zu dem Zeitpunkt sehr gute Absatzzahlen hatten während
der Konkurrent grade den großen Airbus wegen mangelnder Rentabilität aus dem
Programm genommen hat. Das sah für mich zumindest mal für die nächsten Jahre
sehr attraktiv aus.
Dann kam das Disaster mit der Max - das finde ich für meinen Teil so elementar,
das ich für diese Position eben erstmal an die Seitenlinie gegangen bin, ein
weiterer Punkt ist auch die recht geringe Dividendenrendite. War dann letztendlich
eine Abwägung Chance / Risiko.
RE: Finanzberatung? Nein Danke! | 28.11.2019, 14:30
(28.11.2019, 11:26)TomJoe schrieb: Viel gravierender finde ich den echten Verlust durch die Kapitalertragssteuer. Da sind in D fast 30% auf nimmer wiedersehen weg.
Aber auch als wirklicher Anleger muss man sich eingestehen können, dass man sich bei dem ein oder anderen Investment getäuscht hat, oder die Entwicklung nicht mehr so rosig aussieht - was auch einschliesst, dass man sich beim Verkauf vertan hat. Das festhalten kann sehr teuer werden, siehe z.B. GE. Ja, da hast du Recht. Der Staat langt ja nicht nur bei dir zu, er langt auch beim Versteuern des Gewinns zu und das zeigt mir, dass der Staat kein Interesse an unabhängigen Bürgern hat. Wenn die zu viel Geld hätten, dann könnten sie ihm ja schließlich weglaufen. Und das gilt es zu verhindern, mit allen Mitteln.
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