(22.08.2020, 14:32)Vahana schrieb: [ -> ]Wie sieht das Portfolio eines alten weißen Mannes nach 40 Jahren aus?
Nennt man das noch Portfolioanalyse oder schon Archäologie? 
Archäologie auf jeden Fall.
Meine ersten beiden Aktien, AEG und Hoesch, die ich mir Anfang der 80er von meinen Ersparnissen gekauft hatte, sind längst vom Kurszettel verschwunden. Das waren überhaupt noch Zeiten damals, die man sich heute gar nicht mehr vorstellen kann.
Als Privatanleger bin ich, wie das zu dieser Zeit üblich war, in meine Filiale bei der Sparkasse gegangen, habe dort ein Formular ausgefüllt, auf dem stand, welche Aktien in welcher Menge ich kaufen wollte, und dieses dann unterschrieben dem Anlageberater überreicht. Am Tage meines ersten Aktienkaufs habe ich mich extra in Schale geworfen und mir meinen einzigen Anzug und Krawatte angezogen. Ich war damals ja noch Oberschüler, wollte aber unbedingt seriös und ernstzunehmend rüberkommen. Schließlich hatte ich außer meinem Kostolany schon einiges an Börsenliteratur verarbeitet, auch schon mehrmals nach Schulschluss die Präsenzbörse besucht und mir das Geschehen live angeschaut. In meiner Schule war ich der Aktienexperte schlechthin, außer mir hatte damals niemand sowas gemacht.
Als ich die beiden ausgefüllten Formulare dem Berater übergab, hielt er einen Moment inne und sagte dann zu mir: "Sie wissen schon, daß Ihre Aktien nicht ohne Risiko sind."
Beide Unternehmen schrieben damals rote Zahlen, eine Pleite war auch nicht völlig auszuschließen und die Kurse waren dementsprechend abgestürzt.
"Ja, das weiß ich," antwortete ich, "aber ich setze hier auf Turnaround- und Übernahme-Phantasie." Diese Worte aus dem Munde eines Jungspundes hatte er ganz offenkundig so nicht erwartet. Und dann setzte ich sogleich noch einen drauf: "Und bitte im variablen Handel zur Eröffnung kaufen und nicht zum Kassakurs."
Zur damaligen Zeit musste man, wenn man am variablen Handel teilnehmen wollte, noch mindestens 50 Stück oder ein ganzzahliges Vielfaches einer Aktie kaufen. Bei weniger Stücken wurde man zum Kassakurs abgerechnet, der nur einmal täglich zur Mittagszeit festgestellt wurde, im Prinzip so was wie heute die untertägige Auktion in XETRA.
Der langen Rede kurzer Sinn: hier sprach der Experte, zumindest sollte es so erscheinen, und so war es wohl auch.
Als ich dann einige Monate später die Filiale erneut aufsuchte, um meine Aktien mit mehreren tausend Mark Gewinn zu verkaufen, meinte der Berater: "Die wollen Sie jetzt verkaufen? Mein Kollege hat gerade gestern welche gekauft."
Naja..., dachte ich mir, ...Bankberater! Hat schon Kostolany geschrieben, daß die keine Ahnung haben. Und es kam auch genau so: in den folgenden Wochen ging's wieder runter mit den Kursen und ich war natürlich der King.
Bereits ein Jahr später und einer Reihe weiterer überwiegend profitabler Aktiengeschäfte wurden diese mir zu langweilig und ich wagte mich auf das rutschige Parkett der Terminmärkte in Form des damals frisch aus der Taufe gehobenen Aktienoptionsmarktes an den Börsen Frankfurt und Düsseldorf. Hier hatten offenbar zwei zueinander gefunden.
Die Terminmärkte waren fortan meine Welt, Aktien fanden nur noch selten den Weg ins Depot und auch nur für begrenzte Zeit.
Demzufolge ist mein Depot auch sehr übersichtlich geworden:
1. DAX-ETF
2. etwas physisches Gold
3. Cash für Derivatestrategien oder Trading
zu 1.
Schon frühzeitig, als die ersten Indexderivate in Form von ODAXen und später Futures am Markt erschienen, bin ich schnell aus Gründen der Risikostreuung zu diesen übergewechselt. Zuvor hatte ich einen kleinen Basket aus einer Handvoll Blue Chips zusammengestellt, die den Gesamtmarkt halbwegs repräsentativ abbilden sollten. Seit Aufkommen der Indexinstrumente konnte ich darauf verzichten. Aus historischen Gründen kaufe ich immer noch DAX-ETFs. Mit dem DAX bin ich groß geworden und es war und ist bis heute "mein Markt". Die Zeiten haben sich allerdings ziemlich verändert. Damals repräsentierte der DAX die Crème der deutschen Industrie. Heutzutage würde ich ja fast die Hälfte der dort gelisteten Werte nicht mehr mit der Kneifzange anfassen. Eine Commerzbank fliegt raus und wird durch Wirecard ersetzt. Schlimm genug. Und an deren Stelle nun Delivery Hero als Crème der deutschen Industrie? Wer lässt sich solche Sachen einfallen? Also ich glaube, ich schmeiß' den DAX bald raus und ersetze ihn durch einen anderen ETF. Was soll man in einen Index sparen, dem man selbst nicht mehr richtig vertraut?
zu 2.
"Gold und Silber hätt' ich gern", vor allem Gold, und zwar in Barren, wollte ich schon immer haben. In den heutigen Zeiten des Nullzinses und der endlosen Geldschwemme mehr denn je.
zu 3.
Meine eigentliche Welt - aber das jetzt hier breitzutreten würde den Rahmen sprengen.
Ist eh schon wieder ein Roman geworden.